Leak, leaker, am leaksten IV

Die Washington Post hat eine wöchentliche Kolumne "Five myths". Diesmal sind es fünf Mythen über Steueroasen, Five myths about tax havens (15.4.). Das bezieht sich auf die Panama Papers. Diese geleakten Daten offenbaren, wie weit der Missbrauch von Steueroasen unter der politischen und wirtschaftlichen Elite verbreitet ist. Aber es gibt immer noch Mythen über den vermeintlichen Nutzen von Steueroasen für die Oasen selbst und die Länder, wo das Geld abgezogen wird. Der Autor Nicholas Shaxson hat ein Buch zu dem Thema geschrieben, "Treasure Islands: Uncovering the Damage of Offshore Banking and Tax Havens" (Bild: ClkerFreeVectorImages, pixabay.)

1. Steueroasen schützen verletzliche Menschen gegen despotische Regime, ungerechte Gesetze und politisches Kuddelmuddel – so kann man es z.B. in der FAZ lesen, und darauf beruht auch die alte Legende der Schweizer Banken, nach der das Bankgeheimnis jüdisches Geld vor den Nazis schützte. In Wirklichkeit stimmte es schon damals nicht. Das Schweizer Bankgeheimnis-Gesetz wurde ausgelöst durch einen französischen Steuerflucht-Skandal von 1934 (!), und am Ende schützte die Schweiz eine Unmenge Nazi-Beute. Steueroasen schützen nicht das Geld von Schutzlosen, sondern von Reichen. Die Panama Papers zeigen, dass viele Diktatoren und Kleptokraten dabei sind. Steueroasen passen nicht auf Korruption und Despotismus auf – sie helfen dabei. Sie gewähren Schlupflöcher für eine reiche Minderheit und vermindern damit den allfälligen Reformdruck.

2. Steueroasen sind gut für Hochsteuerländer – nach gewissen Ökonomen stellen sie eine gesunde Konkurrenz dar und drücken die Hochsteuerländer in Richtung weniger restriktiver Finanzpolitik. Indem sie Alternativen zu streng kontrollierten Ländern bieten, hindern sie diese an wirtschaftsschädigenden Regulierungen. Aber die Steueroasen-Disziplin hat schreckliche Effekte. Kapital ist viel beweglicher als Arbeiter, mit der Wirkung, dass die Länder Kapitalsteuern senken und die Arbeitssteuern hoch lassen. Das bringt mehr Ungleichheit und schädigt Investitionen und Arbeitsplätze. Hochsteuerländer wie Schweden, Dänemark und Finnland haben mehr Wachstum als Niedrigsteuerländer. Steuerflucht ist kein Rezept für Prosperität.

3. Außer der Schweiz sind die Steueroasen alles kleine tropische Inseln – “sunny places for shady people,” wie man sagt. Genaugenommen ist das Bild aber falsch. Zu den größten Steueroasen gehören die USA, die enorm viel Schwarzgeld aufgenommen haben. US-Staaten wie Delaware und Nevada erlauben anonyme Briefkastenfirmen, und sie haben das globale Common-Reporting-Standard-Protokoll nicht unterschrieben, was mit ein Grund ist, warum es nicht funktioniert (siehe Pakt gegen Steuerflucht wirkungslos). Großbritannien ist womöglich noch schlimmer, von dort werden ganze Netzwerke mit großen Steueroasen gesteuert, von den Cayman Islands über Bermuda bis Jersey. Ein Financial Secrecy Index (Steuergeheimnis-Index) der die Steueroasen nach Verschwiegenheit und Größe auflistet, nennt auf Platz 1-3 die Schweiz, Hongkong und die USA (der Autor hat dran mitgearbeitet). Wäre Großbritannien zusammen mit seinem Übersee-Netzwerk gelistet worden, hätte es Platz 1 bekommen.

4. Steueroasen werden reich – die meisten sind prosperierende, stabile Länder, aber der Schluss ist falsch, das wäre der Steuerpolitik zu verdanken. "Steueroasen sind reich, warum senken nicht alle ihre Steuern?" Diese Logik geht nicht auf. Reichtum fließt dahin, wo schon Reichtum und Stabilität herrschen, das ist der Grund, warum Steueroasen reich sind. Besonders bei kleinen Oasen wie Bermuda oder den Cayman Islands bleibt der Reichtum vor allem unter Ausländern und kommt nicht bei den Einheimischen an. Die Arbeitslohn-Zahlen täuschen dann, weil die  gemittelten Werte nicht realistisch sind. Zudem unterminieren die Hochlohn-Finanzjobs andere Branchen wie Tourismus, indem sie die fähigen Arbeitskräfte dort abziehen. Und es macht die Länder verletzlich, weil sie dem Auf und Ab der Finanzmärkte ausgeliefert sind. Z.B. Jersey ist jetzt aus diesem Grund in Schwierigkeiten.

5. Firmensteuern senken hilft den Ländern, mit Steueroasen zu konkurrieren – damit soll das Geld zurückgeholt werden. Es klingt plausibel, aber es funktioniert nicht. Steuersenkungen zuhause locken die Steuerflüchtlinge nicht zurück, weil in Übersee immer noch niedrigere Steuern warten. Obwohl die US-Steuern in den letzten 40 Jahren immer weiter sanken, hat der Kommerz immer größere Beträge in die Steueroasen geschaufelt. Anfang der 1990er-Jahre zahlten die US-Firmen effektiv 35% Steuern, jetzt sind es effektiv weniger als 20%. Die USA verlieren Steuereinnahmen von mehr als 100 Mrd. Dollar jährlich, mit steigender Tendenz. Hauptgrund dafür ist das Wuchern der Steueroasen, der Schlupflöcher und der Steuervermeidungsindustrie. Außerdem ziehen Steuersenkungen die allgemeinschädliche Investments wie Profitverschiebungen nach sich – wenn sie überhaupt noch Investitionen bewirken. Auf der Hatz nach den billigsten Tarifen sind die Steueroasen nicht zu schlagen. Die einzige Lösung ist, die Oasen zuzumachen.

Links dazu:
Leak, leaker, am leaksten III
Leak, leaker, am leaksten II
Leak, leaker, am leaksten
"Faschistische Staaten von Amerika"
Pakt gegen Steuerflucht wirkungslos
Angebliche EU-Aktion gegen Steueroasen
G20 heißt weiterschlafen