Der neue Bundeskanzler Christian Kern hat eine deutliche Ansage für
eine neue Politik, aber auch für einen neuen Politikstil getätigt.
Er
kritisierte "Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit", "politische
Rituale und Inhaltslosigkeit" und wandte sich gegen einen Stil, der dem
politischen Gegner "keinen Millimeter Erfolg gönnt".
Die
SPÖ werde "insbesonders der ÖVP und auch den anderen Parteien
ihre Hand entgegenstrecken, um Projekte für das Land zu entwickeln".
Die zentralen politischen Herausforderungen dabei sind für jeden politisch
Interessierten bekannt. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Ankurbelung der
Wirtschaft, Bildung auf Höhe der Zeit bringen und in der Integrationsfrage
endlich die Spreu vom Weizen trennen. Kern will in der Koalition eine neue Form
der Zusammenarbeit: "Es macht keinen Sinn, dem anderen keinen Millimeter
Erfolg zu gönnen. Bei jeder Idee, die der andere versucht konstruktiv zu
entwickeln, von vornherein 'Njet' zu sagen und für eine sinnvolle Diskussion
nicht zur Verfügung zu stehen." In Richtung Regierungszusammenarbeit
sagte der neue Bundeskanzler: "Wenn wir jetzt nicht kapiert haben, dass
das unsere letzte Chance ist, dann werden die beiden Großparteien und
diese Regierung von der Bildfläche verschwinden. Und wahrscheinlich völlig
zurecht."
"Die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und
Ängste" - das ist für Kern das zweite wichtige Ziel seiner Kanzlerschaft
und ein "New Deal", Vorschläge, "damit Österreich wieder
auf die Überholspur kommt".
Was der neue Bundeskanzler und
viele andere Politiker nicht erwähnen, ist das Faktum, dass der Handlungsspielraum
für nachfolgende Politikergenerationen immer kleiner wird. Die Budgets
sind bereits für Jahre im Voraus verplant und die Staatsverschuldung steigt.
Die Fixkosten des laufenden Betriebes verschlingen mehr als 80 Prozent des zur
Verfügung stehenden Budgets. Inhalte werden nicht primär von den Politikern
vorgegeben, sondern von den Finanzmärkten, Banken und der Industrie.
Das
Grundkapital der Politik basiert auf Vertrauen. Menschen, die Vertrauen zu sich
selbst haben, vertrauen auch anderen. Menschen, die sich selbst nicht vertrauen,
können niemandem vertrauen. Aus Selbstvertrauen entsteht Vertrauen. Das
Vertrauen der Bevölkerung gewinnt die Politik erst dann zurück, wenn
sie das Zepter selber wieder in die Hand nimmt.
Auf dieser neuen,
alten Bundesregierung lastet ein enormer Druck. Bis spätestens 2018 hat
sie Zeit, das zurückzugewinnen, was an Vertrauen verloren gegangen ist.
Ob die ausgesteckte Hand zu einer Faust wird, einem ausgestreckten Mittelfinger
oder einem versöhnenden Handschlag, wird die Zukunft zeigen, insbesondere
durch die gesetzten Handlungen.