Es fällt ja schon zunehmend auf, wie wenig die "LINKE", also die Nachfolgepartei der DDR-SED, mit wirklichen linken Positionen auftritt, statt sich wahrnehmbar links, also marxistisch-klassenkämpferisch, zu betätigen, betätigt man sich weltbarmherziger als die Grünen und erreicht damit im Volke nichts. Auch das Verhältnis zum Säkularismus, der großen Errungenschaft der DDR, ist linksparteilich gestört, speziell durch den Herrn Ramelow, der auch am weitgehend vom Volke ignorierten Katholikentag in Leipzig religiös herumschleimte und eine "Renaissance von Kirchenfeindlichkeit" ortete.
Was glaubst Du?" - "Ich glaube, dass ein Kilo Rindfleisch
eine gute Brühe macht!" Dieser alte Spruch aus dem Volksmund wird
Ende Mai auf dem Magdeburger Parteitag der Linkspartei neu verhandelt. Natürlich
wortreicher, feiner, parlamentarisch ziseliert. Und während sich die linke
Partei weitgehend aus den gesellschaftlichen Debatten, wenn sie denn nicht in
Parlamenten stattfinden, verabschiedet hat, blitzt in zwei Anträgen des
Parteitages noch einmal ganz kurz eine Ahnung von Grundsätzen, von der
Wirklichkeit außerhalb der Parlamente auf: Der sächsische Landesverband
will die "konsequente Trennung von Staat und Religionen in der Bundesrepublik"
per Antrag erreichen und der linksparteilich mächtigen Bodo Ramelow, unterstützt
von Petra Pau und anderen, will statt dessen die "Einsetzung einer religionspolitischen
Kommission des Parteivorstandes."
So machen es die herkömmlichen
Parteien seit Jahr und Tag: Liegt ein Antrag auf einem Parteitag irgendwie
quer, basteln die herrschenden Parteikreise schnell einen eigenen Antrag, der
einen kleinen Kompromiss verheisst, die ganze Sache einer Kommission zuschiebt
und den Burgfrieden in der Organisation wieder herstellt. Dass der Thüringer
Linksparteichef und Ministerpräsident Bodo Ramelow die Parteikreise zunehmend
beherrscht, ist an einem anderen Ritual des linken Parteitages zu erkennen:
Der Mann darf als Zweiter sprechen. Nach dem männlichen Parteivorsitzenden
Riexinger und vor der weiblichen Chefin Kipping. So macht denn die Parteitagsregie
auch klar, wo die Reise hingehen soll: Hie und dort Wahlen gewinnen, dann, wenn
ein Wahlgewinn auf den anderen folgt, mit der SPD und den GRÜNEN koalieren,
eine Bundesregierung bilden und dann aber, ja aber dann! Ja, was dann eigentlich?
Zumal auch die rosigste Brille in nächster Zeit eher eine CDU-AfD-Regierungs-Koalition
erblicken lässt und auch das mähliche Verschwinden der SPD aus den
Parlamenten eine Vorahnung auf das Verblassen der Linkspartei ist.
Doch
immerhin der LINKEN-Landesverband Sachsen, inspiriert vom Landtagsabgeordnete
André Schollbach, erstrebt mit seinem Parteitagsantrag eine "Freiheit
der Religionslosigkeit", erinnert daran, dass die "Konfessionslosen
inzwischen die größte Konfession bilden" und spielt einen klugen
Doppelpass: "Die Laizität ist somit auch ein klares Stoppsignal an
religiösen Fanatismus und Fundamentalismus." Um zu einer Reform-Forderung
zu kommen, die in der Republik der faulen Kompromisse geradezu revolutionär
anmutet: "Wir setzen uns dafür ein, alle Formen von direkter und indirekter
staatlicher Finanzierung von ausgewählten Religionsgemeinschaften zu beenden."
Wer sich mal das Geld ausrechnet, das in Form von staatlich finanziertem Kirchensteuereinzug,
von staatlichem Religionsunterricht, für amtliche Seelsorge bei Polizei
und im Justizvollzug sowie für kirchliche Jugendarbeit und Kulturdenkmale
bis hin zur teuren aber für die Kirchen kostenlosen Sendezeit im öffentlich-rechtlichen
Rundfunk, auf dem staatlichen Gabentisch für die beiden großen Religionsgemeinschaften
landet, der weiß wie viel Geld für soziale Projekte frei werden könnte.
So kommt es denn logisch zu diesem unfrommen Wunsch des Schollbach-Antrages
"Wir wollen eine Bundesrepublik, die sich explizit und konsequent als säkularer,
laizistischer Staat versteht" dessen Erfüllung der Republik durchaus
gut täte, und der die Linkspartei zum ersten Mal seit längerem in
eine nützliche Weltanschaungs-Debatte verwickeln könnte.
Mit
dem zweiten Antrag zu Thema, dem Ramelow-Pau-Kontra-Papier, soll das Plädoyer
der Sachsen für den säkularen Staat abgewehrt werden: "Zum
Verhältnis der LINKEN zu Religionsgemeinschaften" lautet die Überschrift
scheinbar neutral. So will man offenkundig das in der Internationale besungene
"höhere Wesen" vor dem Zugriff der Atheisten schützen. Das
kann man als Linksparteiler allerdings nicht so sagen, selbst wenn man Ramelow
heißt, und deshalb schwiemelt der Antrag folgenden Satz daher: "Angesichts
der gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen, der sozialen, politischen,
kulturellen und weltanschaulichen Ausdifferenzierung der Gesellschaft bekommt
eine präzisere Bestimmung der LINKEN in ihrem Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften
und eine Konkretisierung ihrer religionspolitischen Forderungen eine besondere
Bedeutung." Da ist sie wieder, die Rolle der Bedeutung, die fast immer
eine Rolle rückwärts einleiten soll.
Damit nur ja die Privilegien
der Kirchen in Deutschland erhalten bleiben, bastelt sich die Ramelow-Pau-Fraktion
schnell ein eigenes Grundgesetz, das für Artikel 4 behauptet: "Anerkannt
wird damit, dass Religion nicht bloß Privatsache ist, sondern auch eine
öffentliche Angelegenheit." Das steht natürlich nicht im Grundgesetz,
da steht nur, dass jeder glauben kann was er will. Im Artikel zur Meinungsfreiheit
steht ja auch nur, dass man eine Meinung haben darf und nicht, dass sie als
"öffentliche Angelegenheit" gefördert und subventioniert
wird. Sonst wäre ja die Forderung nach Agnostik-Unterricht in den Schulen
und ein antireligiöses "Wort zum Freitag" aus dem Gesetz abzuleiten.
Damit
die Fälschung des Grundgesetzes im Antrag bei Ramelow & Co. nicht so
auffällt, folgt dann ein seltsame Poesie zu den "großen Religionen"
in denen angeblich "die Ideen der Aufklärung und des Humanismus: Soziale
Gerechtigkeit, Frieden, Nächstenliebe, Solidarität" wurzeln sollen.
Klar: Bei den Katholiken wurzelt besonders mächtig die Aufklärung
über die Rolle der Frau, die soziale Gerechtigkeit wuchert geradezu bei
beiden Kirchen, die den Angestellten in ihren Tendenzbetrieben das Streiken
verbieten, und deren Bemühen um Frieden ist besonders gut bei der Militärseelsorge
in Afghanistan zu beobachten. Und die "große Religion" des Islam
wird sicher als höchster Ausdruck des Humanismus begrüßt, weil
die in der hanafitischen Mehrheitsauslegung des Koran homosexuellen Geschlechtsverkehr
(liwāt, sihāq) als zu bestrafendes Vergehen brandmarkt.
Die Brühe,
die auf dem Magdeburger Parteitag der LINKEN gekocht werden soll, kann besonders
durchsichtig werden, wenn der sächsische Antrag verworfen und der von der
Parteivorstandsmehrheit favorisierte Ramelow-Antrag angenommen werden sollte.
Nicht, dass die Parteivorstandsmehrheit sonderlich religiös wäre.
Aber sie glaubt, dass man zum gewinnen von Wahlen mit dem Strom schwimmen muss.
Und der Gewinn von Wahlen geht doch allemal über Inhalte. - Magdeburg liegt
an der Elbe. Wer am Morgen nach dem Parteitag der LINKEN im Fluss viele Fische
abwärts treiben sieht, der weiß wie die Antragsdebatte ausgegangen
ist: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.