Papst Franziskus ist auf mich zugegangen. Nein, nicht nur auf mich. Auf
alle Homosexuellen, aber auch auf die Armen, die Benachteiligten und Schwachen.
Auf alle, die die katholische Kirche in ihrer Vergangenheit verletzt haben könnte.
Da scheint es vielleicht ganz praktisch, dass man nicht ins Detail geht. Es
könnte länger dauern, bis diese Liste abgearbeitet ist.
Doch
was soll ich nun mit dieser Geste, mit der Handreichung? "Danke und auf
Wiedersehen, Herr Pontifex!"? Irgendwie wäre mir danach, denn
ich weiß nicht wirklich, wie ich mit solch einer öffentlichkeitswirksamen
Schau umgehen will. Die katholische Welt steht fast Kopf, aber auch ein bisschen
die Protestanten, die Orthodoxen und andere Gläubige. Sie sind begeistert
von diesem Schritt, den Franziskus gegangen ist. So emotional, so leidenschaftlich,
so selbstlos. Und dann auch noch solch eine Barmherzigkeit, solch eine Gnade!
Ja,
genau das ist das Problem. Wieder werde ich den Gedanken nicht los, dass
dort ein älterer Mann vor mir steht und dem kleinen, hilflosen und in seiner
persönlichen Entwicklung so entglittenen, schwulen Ungläubigen nochmals
deutlich macht, wie arm dran er doch ist und dass man über all seine Sünde
hinwegsehen könne - denn dieser, der Schöpfungsgeschichte entflohene
und verlorene Sohn kann ja eigentlich nichts für seine Situation, er will
eigentlich nur spielen, seinen Schnuller zurück und möglichst bald
wieder Sex.
Eine Bitte um Verzeihung sieht für mich anders aus.
Denn sie ist mit Glaubwürdigkeit verbunden. Mit dem Zugeständnis,
dass das, was passiert ist, eben nicht noch einmal vorkommen wird. Bei Franziskus
dagegen, da will ich es nicht wahrhaben. Mir scheinen seine ständigen Vorstöße
des Samariters wie ein Locken und Reizen mit Zuckerbrot und Peitsche. Eine
Entschuldigung, damit die Menschheit jubelt - und dann die Einschränkung,
dass man an den Normen eigentlich nichts ändern wolle. Der Schwule, die
Lesbe, sie bleiben also irgendwie die Schmuddelkinder, nicht nur der katholischen
Kirche.
Es ist eine geschickte PR, die Franziskus da fährt.
Er erweckt den Anschein, dass auch Rom die Menschenwürde schätzt und
die Homosexuellen entsprechend als Geschöpfe des Herrn respektiert.
Ob damit aber ebenso gleiche Rechte verbunden sind, Toleranz und Akzeptanz,
damit tut sich nicht nur der Papst schwer. Denn über die konservative Exegese
der Heiligen Schrift kann auch er nicht hinwegsehen - und betrachte ich den
ehemaligen Erzbischof auf alten Videos, dann wollte er schon damals nicht an
der Überzeugung rütteln, wonach Schwule und Lesben per se in der Abkehr
von Gottes Wort leben.
Wer um Vergebung bittet, der sollte auch etwas
dafür anbieten. Und es ist sicher nicht der herunterschauende Blick
des Mitleids, der überzeugt. Es wäre die bedingungslose Annahme, die
Jesus eigentlich auch formuliert. Doch Franziskus, aber ebenso viele deutsche
Würdenträger, schaffen es nicht, ohne sich noch eine kleine Hintertür
offen zu lassen. Erst, wenn sie mit der Gutheißung eines jeden Menschen
auch die Freiheit verbinden, die Verantwortung für das - meinetwegen auch
gläubig geführte - Privatleben des Einzelnen ohne dogmatische Vorgabe
in die Hand des Gegenübers zu legen und gerade dann noch zu ermutigen:
"Du sollst ein Segen sein!" (1. Mose 12,2), könnte das was mit
Versöhnung werden. Bis es aber so weit kommt, brauche ich wohl wirklich
noch ein Leben nach dem Tod...