Neuer Euro-Skandal verheimlicht

Publiziert am 4. Juli 2016 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Am 3.7. wurde wissenbloggt schon darauf aufmerksam, siehe Neuer Euro- Skandal, Motto: Blame Brexit. Erstaunlich war, dass dieser gewaltige Affront gegen die Euro-Prinzipien fast überall totgeschwiegen wurde. Die Recherchen brachten kaum Treffer. Zunächst nur beim Wall Street Journal und bei Zero Hedge, inzwischen sind einige wenige Quellen dazugekommen. Die Qualitätsmedien halten sich nach wie vor raus. Ist die Meldung ein Fake, oder herrscht da die Omerta? (Bild: Comfreak, pixabay)

Nach leidiger Erfahrung a) mit den Medien und b) mit der Europoltitik muss man in solchen Fällen wohl davon ausgehen, dass wieder ein Euro-Sündenfall vorliegt, der vertuscht werden soll. Soweit es für wb überschaubar ist, nahm es Ende Juni den Anfang.

Eine der ersten Meldungen hieß EU erlaubt Italien Unterstützung seiner Banken (Dow Jones News in den FinanzNachrichten 30.6.): … Zum Umfang des genehmigten Garantiesystems machte eine Sprecherin der Kommission keine Angaben. Ein EU-Vertreter sagte, es beinhalte bis zu 150 Milliarden Euro an Staatsgarantien. Außerdem hieß es, Hilfe könnten nur solvente Banken bekommen, und das Programm laufe bis zum Jahresende – diese Information ist der Seite der EU-Kommission allerdings nicht zu entnehmen.

Zur selben Zeit kam die originale Meldung European Commission Authorized Italian Government to Support Banks (The Wall Street Journal 30.6.), ergänzt tags drauf von Danke Brexit, Danke! Verschwende nie eine Krise… Weitere 150 Milliarden für Rettung italienischer Banken (wallstreet online 1.7.): Italienische Banken sollen mit weiteren 150 Milliarden Euro gerettet werden.

Den Wall-Street-Meldungen gemeinsam ist der Brexit-Bezug, der mit einem Zitat von Winston Churchill garniert wird: "Verschwende nie eine Krise; sie gibt uns Gelegenheit, große Dinge zu tun". Der Brexit gibt also den Italienern Gelegenheit, neue Euro-Milliarden abzusaugen. Weil der Betrag so riesig ist, gehört der Fall in die oberste Skandal-Kategorie. Es ist so viel Geld, wie die EZB in 4 Monaten an die Banken raushaut, und zwar zusätzlich zu dieser normalen Geldschwemme.

Einige Infos aus den Artikeln:

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, es werde nicht erwartet, dass es zum Einsatz dieses Programms kommen wird. Nachdem die Italiener seit Monaten klamm sind schreibt der Artikel aber auch, tatsächlich dürfte eine Anwendung des Programms viel näher sein, als viele „Experten“ derzeit erwarten. Die Aktien der italienischen Banken sind schließlich im freien Fall. Und so nutze Ministerpräsident Renzi den Brexit als Vorwand, um ein neues Programm zur Stützung der Banken aufzulegen. Die schiere Größe des Programms zeige, wie groß die Probleme der italienischen Institute sind.

Die Banken sollen mit Staatsgarantien gestützt werden; alle solventen Banken hätten Anspruch auf Liquiditätshilfen (Anmerkung wb: in der Eurozone gelten alle Zombiebanken als solvent). Nach der Einschätzung von wallstreet online werden die EU-Regeln zum Stabilitätspakt, zur Bankenunion und zur Bankenrettung dabei bis zum Rande des Erlaubten und darüber hinaus strapaziert. Der Brexit sei also nur der Vorwand, um die Spielregeln einmal mehr zu umgehen und ad absurdum zu führen.

Die EU habe Renzis Vorschlag bereits am 26. Juni zugestimmt, die Übereinkunft bislang aber nicht öffentlich gemacht. Die Probleme der Banken sieht wallstreet online in der EZB-Politik des gigantischen Gelddruckens. Ihre Zinsmarge schrumpft immer weiter und bricht daher als Gewinnlieferant weg. Die EZB-Billionenschwemme für die Banken stärkt die Institute demnach nicht, sondern sie verschärft deren Probleme.

Das neue 150-Mrd.-Programm sei offensichtlich dringend notwendig, um mit den faulen Krediten der italienischen Banken (ca. 360 Mrd. Euro) fertigzuwerden. Der anhaltende Kursrutsch der Bankaktien deute aber darauf hin, dass die Investoren die Effektivität des Programms zur Lösung der Probleme stark anzweifeln. Ihnen genügen offensichtlich keine Bankgarantien, sie wollen vielmehr eine Rekapitalisierung der Banken über neues Eigenkapital sehen (also ist die Euro-Geldpumpe wiederum wirkungslos, wb).

Wird Matteo Renzi ein "außerordentliches Ereignis" erklären (Brexit)? Das fragt ein weiterer Artikel, Italien darf Banken mit Liquiditätsgarantien bis zu 150 Milliarden Euro stützen (Finanzmarkt 1.7.). Es wird Klartext über Renzis Absichten geredet: Dann könnte er ohne vorher Aktionäre und Anleihebesitzer zu beteiligen, vom Steuerzahler direkt Geld in die Banken pumpen um ihre Kapitalbasis zu stärken. Das wäre DER dicke Einschnitt nach der Finanzkrise 2008!

Völlig richtig bemerkt der Finanzmarkt, das wäre genau das Gegenteil von dem, was nach der Finanzkrise in Europa "so großspurig" angekündigt wurde: Zuerst müssten immer die Bankeigentümer und Gläubiger bluten; es dürfe nicht mehr vorkommen, dass der Steuerzahler für Fehler der Banken haften müsse – soweit der Finanzmarkt.

Die europäische Politik hat jahrelang gebraucht, um diesen Standpunkt der Vernunft zu erreichen. Nachdem er endlich zur übereinstimmenden Meinung geworden ist, scheint die EU dabei zu sein, ihn zu kippen. Noch ehe er richtig festgeschrieben ist, wird er torpediert. Das Feigenblatt des Notfalls (“exceptional circumstance”) Brexit ist nur Augenwischerei.

Jahre der Diskussion und Meinungsbildung werden obsolet, die EU erweist sich letzten Endes als lernresistent. Wie gehabt sollen alle Probleme erstmal kurzfristig mit Steuerzahlergeld zugedeckt werden. In Italien, und dann womöglich auch in Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, Griechenland, wo es noch mehr solche Probleme gibt. Italien ist wohl der Probelauf, ob sie mit der Brexit-Betrügerei durchkommen.

Um so wichtiger ist es, dass die Medien endlich aufwachen und stellvertretend für die Allgemeinheit Protest formulieren. Wenn das dem Brexit nachträglich Argumente liefert, müssen sie ihre Contra-Brexit-Position eben revidieren, und die britischen Contra-Brexit-Protestler dito. Die Euro-Ideologie darf nicht länger gegen die ökonomische Vernunft angeschoben werden.

Links dazu:
Zeitung im Wandel
Overbanked – die Zombies grüßen
Neuer Euro-Skandal, Motto: Blame Brexit
Gegenangriff auf die EZB
Neuer EZB-Betrug am Volk
Euro-Betrugsnummer Schuldenschnittchen
Der Euro: größter Feind Europas
Pleitepolitik Wieviel Jahre das Geld im Voraus ausgegeben ist
Reload 1970 Was die Deregulierung uns gebracht hat
Die Lügen der Euro-Politik Siebenmal Lüge und Betrug aufgezählt