Arbeiterkammer entdeckt Reallohnverluste

Presseaussendung der Arbeiterkammer OÖ vom 12.9.2016:

Zwei Prozent Kaufkraftverlust in 10 Jahren -
AK-Präsident Kalliauer fordert Trendumkehr

Jahrzehntelang haben sich die Unternehmen ein immer größeres Stück vom gemeinsam erwirtschafteten Volkseinkommen zu Lasten der Löhne und Gehälter geholt. Erst seit dem Finanzcrash und der Wirtschafskrise gibt es ein Auf und Ab bei Gewinn- und Lohnquote je nach Wirtschaftslage. Das heißt aber keineswegs, dass es den einzelnen Arbeitnehmern/-innen besser ginge. Mehr als drei Viertel von ihnen haben im letzten Jahrzehnt Reallohnverluste erlitten. "Dieser Trend muss umgekehrt werden. Wir fordern deutliche Reallohnerhöhungen, um die Konjunktur anzukurbeln, und eine flächendeckende Anhebung der Kollektivvertrags-Löhne und -gehälter auf mindestens 1.500 beziehungsweise mittelfristig auf 1.700 Euro", sagt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer.

Milliarden Euro weniger wegen sinkender Lohnquote
Die Arbeitnehmer/-innen erhielten im Jahr 2015 für ihre Arbeit 69,6 Prozent vom in Österreich erarbeiteten Volkseinkommen. Bis 2017 wird die Lohnquote wieder sinken: laut Prognose um mehr als einen halben Prozentpunkt. Ein Prozentpunkt Lohnquote kostet die Arbeitnehmer/-innen 2016 brutto etwa 2,4 Milliarden Euro (inklusive der gesamten Sozialversicherungsabgaben). Bis Mitte der 1990er-Jahre betrug die Lohnquote noch etwa drei Viertel des Volkseinkommens. Die massive Schieflage hat auch zum Krisenausbruch 2009 beigetragen.

Auch mittlere Einkommen verlieren
Insgesamt gab es für mindestens drei Viertel der Lohnabhängigen im vergangenen Jahrzehnt Kaufkraftverluste! Wer 2014 genau in der Mitte der Einkommensverteilung verdiente, erhielt nach Abzug der Preissteigerung sowohl brutto als auch netto über 2 Prozent weniger Lohn als 10 Jahre zuvor. Und die Ungleichheit in der Einkommensverteilung nimmt weiter zu, denn das am schlechtesten verdienende Viertel der Arbeitnehmer/-innen erhielt netto real sogar um fast 8 Prozent weniger als das einkommensschwächste Viertel im Jahr 2004. Erst 2016, mit dem Wirksamwerden der von Gewerkschaft und Arbeiterkammer erkämpften Lohnsteuerreform, wird es laut WIFO einen spürbaren Netto-Einkommenszuwachs von im Durchschnitt real 2,8 Prozent geben.
Die Gewinne und Vermögenseinkommen stiegen hingegen bis 2007 rasant. Das fehlt in den Geldbörsen der Arbeitnehmer/-innen, was deren Konsum einschränkte. Und die Zuwächse beim Gewinn wurden nicht etwa in beschäftigungsfördernde Sachanlagen investiert, sondern an die Eigentümer/-innen der Unternehmen ausgeschüttet oder am internationalen Finanzmarkt spekulativ eingesetzt. Aufgrund der Wirtschaftsschwäche nach dem Finanzcrash ist auch der Anteil der Gewinne gesunken. Er liegt aber immer noch bei hohen 30,4 Prozent.

Geld für Lohnerhöhungen ist da
Dass der Spielraum für kräftige Lohnerhöhungen nach wie vor groß ist, zeigen die Berechnungen der AK für ihren jährlichen Wertschöpfungsbarometer. Denn die Unternehmen schütten ihre Gewinne in enorm hohem Ausmaß an ihre Eigentümer/-innen aus, statt sie in Sachanlagen oder höhere Löhne zu investieren. Vollständige Zahlen liegen erst für das Jahr 2014 vor. Von 2004 bis zur Krise haben sich die Gewinnauszahlungen an die Eigentümer/-innen österreichischer Groß- und Mittelbetriebe pro Beschäftigtem von rund 8.400 Euro auf 15.900 Euro fast verdoppelt und verharren seither auf hohem Niveau. 2014 betrugen sie über 12.700 Euro. Selbst nach den Schwankungen seit der Krise ist das ein Anstieg um mehr als 50 Prozent in nur 10 Jahren. Der Personalaufwand pro Beschäftigter/pro Beschäftigtem hat sich im gleichen Zeitraum nur etwa halb so stark erhöht (+ 22 Prozent).

50 Jahre arbeiten für ein Manager-Jahresgehalt?
Österreichs Manager/-innen erhalten hingegen teils extreme Gagen. In den börsennotierten Top-Unternehmen kommen die Spitzen-Manager (Vorstandsvorsitzende) laut dem Unternehmensberater hkp auf durchschnittlich 2,18 Millionen Euro im Jahr 2015 - ein Plus von 36 Prozent gegenüber 2014! Dafür müssten durchschnittliche vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer/-innen länger als 50 Jahre arbeiten!
In Oberösterreich betrug das mittlere Einkommen 2015 2.191 Euro brutto im Monat, um 2,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Median = je die Hälfte der mehr als 630.000 Arbeitnehmer/-innen verdient mehr bzw. weniger). Männer verdienten 2.614 Euro, das Frauen-Medianeinkommen ist mit 1.593 Euro um 39 Prozent niedriger. Nach Bezirken rangieren die in Steyr Stadt arbeitenden männlichen Angestellten mit rund 4.000 Euro an der Spitze, gefolgt von Perg und Wels-Land (rund 3.580 und 3.490 Euro). Am niedrigsten sind die Einkommen der Arbeiterinnen in Rohrbach, Freistadt und Eferding mit rund 1.100 bis 1.170 Euro.

Verteilungs- und Steuergerechtigkeit dringend nötig
Angesichts dieser Entwicklungen fordert der AK-Präsident kräftige Lohn- und Gehaltssteigerungen und eine flächendeckende Anhebung der kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter auf mindestens 1.500 bzw. mittelfristig auf 1.700 Euro. "Dringend nötig sind auch weitere Schritte für mehr Verteilungs- und Steuergerechtigkeit wie eine Vermögensteuer für Reiche ab einer Million Euro und die Heranziehung aller Wertschöpfungselemente - nicht nur der Lohnsumme - zur gerechteren Finanzierung sozialer Sicherheit", sagt Kalliauer.

Soweit die Aussendung. Es überrascht einen schon, dass die gesetzliche Vertretungseinrichtung der unselbständig Erwerbstätigen diese Entwicklung nun doch noch zu bemerken scheint. Es ist nicht seit 2004 so, sondern seit dem EU-Beitritt gibt es keine Reallohnerhöhungen mehr, sondern Verluste bei den realen Nettoeinkommen! Die Homepage von meinereiner handelt zwar vom Atheismus und von Religionskritik, aber als altem Marxisten fallen einem anscheinend auch politische und ökonomische Entwicklungen früher auf als der Arbeiterkammer. Dass die Reallöhne sinken, war darum hier schon des öfteren zu lesen, siehe z.B. "Über die Auswirkungen der Finanzkrise" wo im Februar 2014 mit der Hilfe von Jaroslav Hasek diese Entwicklung satirisch beleuchtet wurde.

Dass der Klassenfeind hingegen seine Reichtümer ständig enorm steigerte, zeigt z.B. ein Artikel aus der PRESSE vom 30.5.2013:
"Der Klub der Euro-Millionäre im deutschsprachigen Raum ist 2012 wieder größer geworden. Er zählt nun 1,13 Millionen Mitglieder in Österreich, Deutschland und der Schweiz - um 80.000 oder 7,6 Prozent mehr als im Jahr 2011. Das ist der stärkste Zuwachs seit der Jahrtausendwende, wie aus dem aktuellen Vermögensreport des Liechtensteiner Investmenthauses Valluga hervorgeht. In Österreich leben demnach aktuell 78.000 Euro-Millionäre, um 7,6 Prozent mehr als 2011.
Dank der guten Entwicklung der Aktienmärkte und der steigenden Immobilienpreise konnten die Millionäre ihr Vermögen auf einen Rekordstand ausbauen. Ihr Gesamtvermögen (der Euro-Millionäre im deutschsprachigen Raum) erhöhte sich um 260 Mrd. Euro oder 9,2 Prozent auf 3.094 Mrd. Euro. Zu diesem Anstieg trugen auch die Liquiditätsspritzen der Zentralbanken bei. 'Der Erfolgsrun der Millionäre setzt sich eindrucksvoll fort', heißt es in dem Bericht. Durchschnittlich wuchsen die Millionärsvermögen in den vergangenen Dekaden um etwa acht Prozent pro Jahr'."

Erwähnt wird dort allerdings auch der Schaden durch die Spekulationsblase von 2008: "Die Krisenjahre 2008 und 2009 hatten diesem Trend einen Dämpfer versetzt. 2008 etwa verloren Österreichs Wohlhabende 35 Mrd. Euro, die Zahl der österreichischen Millionäre schrumpfte deutlich auf rund 62.000. Ein Jahr später ging es wieder aufwärts. Heute gibt es bereits deutlich mehr Euro-Millionäre als vor der Krise. Mit einem Gesamtvermögen von 245 Mrd. Euro sind Österreichs Millionäre außerdem so reich wie nie zuvor."

Woraus man sieht: in zwei Spekulationskrisenjahren verlor die Spitze der Ausbeuterklasse vielleicht um die 15 % ihres Vermögens. Aber bei einem Zuwachs in den vergangenen Dekaden von acht Prozent pro Jahr waren diese Verluste ja auch nur ein Fliegendreck.

Und 2016 denkt die Arbeiterkammer zu diesem Thema schon ein bisschen nach. Weit hat es die Arbeiterbewegung gebracht. Zuerst jahrzehntelang bewegungslos herumliegen und dann ein bisschen den Drohfinger vorzeigen!