Angenommen, es wird die Immunität von Eva Glawischnig und Heinz Christian
Strache aufgehoben. Polizeieinheiten dringen in deren Wohnungen ein, verhaften
die Parteivorsitzenden der größten Oppositionsparteien und stecken
viele Abgeordnete sowie deren Parteifunktionäre hinter Gitter - mit dem
Totschlagargument "Unterstützung des Terrorismus". Was würde
in Österreich innerhalb kürzester Zeit passieren, was in der Türkei
seit Jahren auf der Tagesordnung steht? Freitagmorgen sind die Parteivorsitzenden
der HDP Selahattin Demirtas und Eigen Yüksekdag (Halk Demokratik Partisi)
von türkischen Polizeieinheiten in ihren Wohnungen verhaftet worden. Die
AKP und Erdogan haben in ihrem Größenwahn rote Linien überschritten.
Dass die Kriminalisierung von Andersdenkenden und der Opposition in der Türkei
permanent betrieben wird, wundert niemand. Es gehört zum Repertoire von
Islamisten und Nationalisten, dass alles, was ihrem eingeengten Weltbild nicht
entspricht, kriminalisiert und verfolgt werden muss.
Diese jüngsten
Entwicklungen in der Türkei werden auch in Europa und in Österreich
wahrgenommen. In allen europäischen Großstädten werden in den
nächsten Tagen mit großer Wahrscheinlichkeit Protestmärsche
abgehalten.
Seit 2010 läuft in Belgien ein Verfahren, in dem
angestrebt wird, dass kurdische Gruppierungen und Verbände wegen Terrorismusunterstützung
geschlossen werden sollten. Das belgische Gericht hat die Klagen am Vorabend
der Verhaftungen der HDP-Vorsitzenden endgültig abgeschmettert. Ob die
türkischen Behörden auf dieses Urteil gewartet haben, bleibt im Bereich
der Spekulationen. Was jedoch garantiert ist: Die Spannungen zwischen Kurden
und Türken werden sich auch bei uns verschärfen. "Dank"
unserer Politiker konnten Europa und Österreich zu einem Hinterhof von
Erdogans Politik und dem saudischen Einflussbereich werden. Die HDP hat, wie
alle anderen türkischen Parteien, Auslandsvertretungen. Die kurdischen
Gruppierungen sind über den Dachverband FEYCOM organisiert. Diesem gehören
14 Verbände und Vereine aus allen Bundesländern in Österreich
an. Es gibt neben der politischen Vertretung auch einen militanten bewaffneten
Flügel, die PKK, welche seit Jahrzehnten gegen den türkischen Staat
kämpft. Eine Entspannung zwischen Kurden und Türken war unter Erdogan
in Reichweite, er hat sie jedoch mit dem Schielen auf Stimmen aus dem nationalistischen
Lager zunichte gemacht, um eine Mehrheit im türkischen Parlament abzusichern.
Gerade
in der Türkei braucht es Stimmen, welche die Gemeinsamkeiten vor das Trennende
stellen. Türken und Kurden sind Brüder. Wogegen man ankämpfen
muss, ist die Ungerechtigkeit. Dies ist ein Kampf, der nicht nur die Kurden
angeht, sondern uns alle!