Rechtspopulismus - die einzige Antwort auf den Neoliberalismus?

In einem Artikel in den OÖNachrichten vom 10.11.2016 wird der Innsbrucker Soziologe Max Pregalu, der auch in Harvard lehrte, zur Trump-Wahl zitiert:
"Die Verteilungsfrage stellt sich immer drastischer, wobei die Globalisierung und die wachsende Ungleichheit Europa genauso betreffen."
Es gebe ein "wachsendes Misstrauen, wie es auch bei uns zu beobachten ist, und eine zunehmende Verachtung der Eliten."
Die "Vermarktlichung der Politik" sei ein Hauptgrund für den Aufstieg der Populisten. Die etablierten Politiker hätten ihre Gestaltungsmacht aus der Hand gegeben. "Die Politik läuft weiter als Ritual oder Spektakel", es gebe nur mehr begrenzte Möglichkeiten, den Lauf der Dinge zu ändern. Die global agierenden Unternehmen seien den Nationalstaaten stets einen Schritt voraus.
Zu Trump: "Er spielt eine Melodie, die die Mehrheit hören will. Sein Wahlsieg ist die Fortsetzung, nicht das Ende einer Entwicklung."

Da hat er recht, der Herr Soziologe! Weil das sagt meinereiner ja auch immer! Direkt ausgedrückt: Wir leben in der Diktatur des Neoliberalismus, Finanzwirtschaft und Konzernwirtschaft beherrschen die Welt, die Politik darf sich um Speisekarten mit Speisewarnungen für Allergiker kümmern.

Nachdem die Sozialdemokratie, die seinerzeitige organisierte Vertretung der arbeitenden Klasse, in der Folge der kapitalistischen Niederringung des sowjetischen Sozialismusversuches ebenfalls in Konkurs gegangen ist, blieb als Opposition nur noch der politisch unkorrekte Rechtspopulismus. Der ja alleine schon durch die ihm zugewiesene Bezeichnung die Realität zeigt: was in den Verdacht gerät, sich nach im Volke (lat. populus) populären (= volkstümlichen) Meinungen zu richten, der kann nur als Feind betrachtet werden, weil es ist politisch völlig unkorrekt, sich nicht dem Neoliberalismus unterzuordnen.

Das Volk muss erzogen werden, weil alles was im Verdacht steht, politisch populär zu sein, der herrschenden Klasse der Konzern- und Finanzherrn schaden könnte und darum ein Tabu ist. Aber von den tatsächlich Herrschenden darf nicht einmal geredet werden, weil das allein schon wäre Klassenkampf und Klassenkampf darf es keinen mehr geben! Außer dem ständig geführten von oben nach unten, aber von dem darf selbstverständlich niemals geredet werden.

Wir sind nun in der Situation, dass es bloß rechte Gruppierungen sind, die noch als Opposition gegen das bestehende Herrschaftssystem wahrgenommen werden.

Denn die globale Herrschaft des Kapitals ist eben international-global. Andererseits gibt es keine gewachsene Europanation oder gar globale Menschheitsnation, sondern die menschlichen Gemeinschaften sind immer noch lokal, regional, national strukturiert. Das führt nun dazu, dass immer mehr Menschen, welche die globale Welt des kapitalistischen Internationalismus nicht als ihre Welt, als ihre Gemeinschaft sehen, sich Gruppen zuwenden, die nicht global, sondern regional und/oder national orientiert sind. Weil dort spiegelt sich eben auch der Widerspruch zwischen den nichtglobalen Interessen der Masse der Menschen und der globalen Herrschaft des Profits wider. Und nachdem sich alle anderen Parteien nahezu widerstandslos dem internationalen Kapital untergeordnet haben, sind diese nationalen Gruppen sozusagen der letzte Widerspruch.

Da es nicht im Interesse der Masse der Menschen ist, alles für das Kapital zu tun, bilden sich praktisch naturwüchsig rechtspopulistische Parteien als einzige verbliebene Opposition gegen das neoliberale Globalsystem.
Das ist jedoch weder die Schuld der Rechtspopulisten, noch der diesen zuströmenden Menschen, sondern die echte Schuld der immer noch "Linke" Genannten, die sich jedoch nur noch damit befassen, Almosen für Marginalisierte zu organisieren und die breite Masse der Menschen als Problemträger gar nicht mehr wahrnehmen.

Dagegen dann mit pseudolinkem moralischen Gejammer zu reagieren, aber das eigene völlige Versagen nicht einmal ansatzweise wahrzunehmen, das pflastert den Rechtsparteien den Weg nach oben immer besser.

Es ist ja sonst nix mehr da, das sich wenigstens irgendwie als Opposition gegen die herrschenden unguten Verhältnisse wahrnehmen lässt!

Bemerkenswert: Im heutigen ORF-Mittagsjournal bemerkte man immerhin auch, dass in den breiten unteren Mittelschichten Angst- und Wutbürger immer mehr werden! Aber sowas kann und darf man politisch korrekt nicht ernsthaft vertreten, da helfen dann zitierte Worte von Martin Morlock aus seinem Buch von 1977, "Hohe Schule der Verführung":


Die Probleme der Masse beruhen also auf Gefühlen, Instinkten und Vorurteilen, die Massen reagieren auf Hetze und Lügen der Demagogen: damit hat sich schon wieder jeder Ansatz zum Nachdenken in Luft aufgelöst, man kann weitermachen wie bisher, Menschen in Massen sind zum Ignorieren da! Die Rechtsparteien wird's freuen und die weltfremden und wirklichkeitsfernen Pseudolinken werden sich weiterhin als die moralischen Gewinner sehen und dabei die Welt noch mehr verlieren.

Karl Marx hat eine grundlegende Erkenntnis zur menschlichen Bewusstseinsbildung geliefert: "Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt."

Und wir erleben zurzeit, dass die von Globalisierung und Neoliberalismus ausgelösten Seinsveränderungen zu Bewusstseinsveränderungen führen, die man keinesfalls wegreden kann, sondern auf die man politisch mit Eingriffen auf das Sein der Betroffenen reagieren muss! Solange nicht das, was einstens "Arbeiterbewegung" hieß, zeitgemäß politisch reaktiviert wird, haben die Rechten ziemlich freie Bahn, selbst wenn diese selber auch nicht so recht verstehen, worum es wirklich geht!

Und nicht vergessen: das Kommunistische Manifest endete seinerzeit mit der Parole, "die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen." Die breite Masse der heutigen arbeitenden Klasse hat - durch die materielle Entwicklung in den Zeiten vor dem Neoliberalismus - mehr zu verlieren als Ketten, sie hat sich ihre eigene Welt erarbeitet. Und wenn passieren sollte, dass diese Welt verloren geht, haben die dafür verantwortlich Gemachten sehr viel zu fürchten, weil dann wären wir wieder in einer Situation wie vor der Französischen Revolution...

(das Wort "Aristokraten" müsste durch heute zeitgemäße Benennungen der herrschenden Klasse ersetzt werden...)