Dönmez zur Briefwahl

Efgani Dönmez, ehemaliger Bundesrat der Grünen, am 3.12.2016 in den OÖNachrichten:

Die Briefwahl - ein Spiegelbild unserer eigenen Bequemlichkeit?

Wählen als "Democracy light": Briefwahl ist so einfach geworden wie ein Online-Einkauf bei Amazon. Bei der letzten Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl haben fast 900.000 Wähler eine Wahlkarte beantragt. Diesmal werden es noch mehr sein, darunter ca. 55.000 Auslandsösterreicher (von geschätzten 300.000 im wahlfähigen Alter). Auf der Website der Stadt Wien war es zum Beispiel möglich, ohne ausreichende Identitätskontrolle einen simplen Online-Antrag zu stellen. Nötig waren nur Name, Geburtsdatum, Hauptwohnsitz, Reisepass-Nummer. Zusätzlich konnte sich jeder die Wahlkarte an eine x-beliebige Adresse schicken lassen. Ob die Wahlbehörden den Überblick haben, wie viele Wahlkarten an bestimmte Zweit-Adressen geschickt wurden beziehungsweise ob der Wahlberechtigte dort auch tatsächlich aufhältig ist, ist fraglich.

Schon bei der letzten Nationalratswahl ist ein türkischstämmiger SPÖ-Kandidat aus dem reaktionären islamistischen Milieu dadurch aufgefallen, dass er unverhältnismäßig viele Vorzugsstimmen erhalten hatte. Das Verfahren wurde damals eingestellt. Die Wahlbehörde hat nach wie vor Vertrauen in den Briefwähler. Eine falsche Unterschrift oder wahrheitswidrige Erklärung haben zumindest bis jetzt keine strafrechtlichen Konsequenzen, denn: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Die Wahlkarte wird normal oder als eingeschriebene Briefsendung zugestellt. Wie jeder Postler weiß, ist laut Zustellgesetz im Inland auch die sogenannte "Ersatzzustellung" möglich, sprich, dass der Brief mit der Wahlkarte auch an einen Ersatzempfänger möglich ist, wenn der Adressat selbst nicht anwesend ist. Ob dabei getrickst wurde oder nicht, ist nur schwer beweisbar.

Die Neu-Auszählung in den Swing-States in den USA beweist, dass immer weniger Vertrauen in die Korrektheit staatlicher Wahlabläufe besteht. Was nicht zuletzt mit dem Servicegedanken zu tun hat: Alles für den "Kunden". Bei einer so weitgehenden Liberalisierung der Briefwahl stellt sich die Frage, ob das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip einer "freien, geheimen, persönlichen und urbeeinflussten Wahl" noch gewährleistet ist? Vielen urbanen Bürgern erscheint der Wahlgang lästig, sie haben "Wichtigeres" zu tun.

Szenenwechsel: Vor einem Jahr fanden in Myanmar nach 50 Jahren Diktatur erstmals freie Wahlen statt. Viele kamen von weit her, um der Friedensnobelpreispreisträgerin zum gewaltigen Sieg zu verhelfen. Dieses Bild sollten wir uns vor Augen halten. Wem Demokratie etwas wert ist, der sollte alle paar Jahre auch bereit sein, etwas zu tun. Dafür ist bei uns kein Gewaltmarsch nötig. Sondern nur etwas mehr Verantwortung und weniger Bequemlichkeit. An der Briefwahl soll nicht gerüttelt werden. Sie ist aber reformbedürftig.

Anmerkungen atheisten-info:

Bei der Stichwahl am 22.5. gab es folgendes Ergebnis bei den Briefwahlkarten: 885.437 Wahlkarten waren beantragt worden, davon abgegebene Stimmen: 766.076, ungültige Stimmen: 19.966, gültige Stimmen: 746.110, Ing. Norbert Hofer 285.706 Stimmen (38,3 %), Dr. Alexander Van der Bellen 460.404 Stimmen (61,7 %). Die Wahl wurde durch diesen Wahlkarten-Stimmüberhang van der Bellens entschieden, bei den regulär abgegebenen Stimmen hatte Hofer einen Vorsprung von rund 144.000 Stimmen gehabt, in der ersten Wahlrunde war wahlkartenmäßig van der Bellen nur um drei Prozent vor Hofer gelegen.

Die Vermutung von Dönmez, der seinen Artikel wahrscheinlich schon vor dem gestrigen Nachmittag geschrieben hat, es würde diesmal noch mehr Briefwahlkarten geben, traf nicht zu, es waren laut Medienberichten vom 2.12. nur 708.185.

Die Geschichte vom "türkischstämmigen SPÖ-Kandidaten aus dem reaktionären islamistischen Milieu", der 2013 bei der Nationalratswahl 12.715 Vorzugsstimmen erhalten hat und trotzdem nicht ins Parlament einzog, fand auf dieser Homepage ja schon mehrfach Erwähnung. Die Quelle dazu war ein am 17.10.2013 in der Tageszeitung "Die PRESSE" erschienener Artikel "SPÖ: Wahlkarten in Moscheen ausgefüllt?"  der auf einen möglichen eklatanten Wahlbetrug mittels Briefwahl hinwies, ein ähnlicher Artikel erschien auch im PROFIL. Die FPÖ hat offenbar niemanden, der die Medien täglich genau verfolgt und nützliche Sachen abrufbereit abspeichert. Weil für die Wahlwiederholung hätte es wohl alleine ausgereicht, die in den obigen Zeitungsartikeln geschilderten Möglichkeiten zum Wahlschwindel anzuführen - "Wahlkarten würden im Namen der Wähler von türkischstämmigen 'Wahlhelfern' beantragt, diese dann an den Meldeadressen abgesammelt und zentral ausgefüllt." - diese Art der Briefwahl hätte wohl wegen der einfachen Möglichkeit der Verletzung der persönlichen Ausübung des Wahlrechtes vom Verfassungsgerichtshof verboten werden müssen.

Da in Wien nun die Zahl der beantragten Wahlkarten deutlich niedriger ist als im Mai 2016, kann die Vermutung nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine entsprechende SPÖ-Briefwahlhilfe für van der Bellen gelaufen sein könnte, es ließe sich maximal überprüfen, ob es damals einen ungewöhnlich hohen Briefwahlanteil im Personenkreis mit Migrationshintergrund gegeben hat und ob bei den abgegebenen Briefwahlkarten in diesen Bereichen ein besonders hoher Stimmenanteil für van der Bellen vorlag.

Obwohl die FPÖ den möglichen Skandal von 2013 nicht wahrgenommen hat, kann jedoch vermutet werden, dass die SPÖ es jedenfalls jetzt nicht wagen konnte, eine solche Wahlhilfe für van der Bellen inszenieren. Aber die offensichtliche stille Planierung der Vorzugsstimmensache von 2013 klärte den damals aufgetauchten Verdacht nicht, sondern schob in bloß ins Dunkel. Die Wahl am 4.12. bleibt aber trotzdem spannend!

Für die Briefwahl ist jedenfalls zu fordern, dass die Stimmen nicht von irgendjemanden abgegeben und per Brief weggeschickt werden können, sondern dass eine Wahlkarte nur zur Wahl in einem andern Wahllokal berechtigt: mit Ausweisleistung, mit Datenerfassung des Wahlkartenwählers und auf einem erst dort ausgefolgten Stimmzettel! Die aktuell weiter angedachten Möglichkeiten zu nichtpersönlichen Stimmabgaben, sollten nicht weitergedacht werden. Es MUSS sichergestellt werden, dass jeder Wähler seine Stimme persönlich abgibt! Auch in Alters- und Pflegeheimen!