Der unwillkommene Trump


Bild: Screenshot aus dem Bericht der Zeit im Bild 1 vom 20.1.2017 über die Trump-Vereidigung

Die ORF-Berichterstattung am 20.1.2017 über die Angelobung und die erste Rede des neuen US-Präsidenten Donald Trump war zutiefst entlarvend. Es wurde allerdings nicht Trump entlarvt, sondern die Gesinnung der ORF-Journalisten.

Wenn sich meinereiner an seine jungen Jahre erinnert, dann fällt ihm auch ein, wie devot damals die österreichische Hofberichterstattung über die USA und ihre Präsidenten war, man konnte durchaus das Gefühl entwickeln, der jeweilige US-Präsident sei nebenbei auch der Kaiser von Österreich. Während des Vietnamkrieges verlas eine Art Pressesprecher des Weißen Hauses im ORF-TV regelmäßig die US-Botschaften, warum der Vietnamkrieg von den USA gewonnen werden muss, dieser 1950 in den USA ausgebildete Verkünder der US-Wahrheiten hieß Hugo Portisch. In späteren Jahren gab es auch Episoden wo solche Verkündigungen weniger wurden, z.B. als Nixon niederging, gingen die österreichisch-amerikanischen Medien nicht mit nieder, bei George Doubledolt Bush kam es sogar vor, dass fallweise einzelne kritische Anmerkungen geäußert wurden, bis zur Majestätsbeleidigung ging das jedoch in keiner Weise.

Nun hat man mit Trump einen US-Präsidenten, der es in Frage stellt, auch nebenberuflicher Ehrenkaiser von Österreich zu sein! Da erheben sich bisher US-bezüglich immer devot kniende Journalisten und äußern sich kritisch! Sie kritisieren, dass der neue US-Präsident nicht mehr Weltpräsident und hochgepriesener Führer der Menschheit sein will!

Was real bedeutet: die Menschheit hat Neoliberalismus und Globalisierung als unregulierbares Schicksal zu akzeptieren
, weil sonst werden die Konzerne und Banker unglücklich! Zu dumm, dass nur ein Milliardär, der möglicherweise schon genug Milliarden hat, dagegen irgendwie Stimmung machen kann. Weil die Arbeiterbewegung bewegt sich nimmer und der Klassenkampf geht nur noch lautlos und klaglos von oben nach unten vor sich.

Der Trump hat dazu Sprüche, die in Europa kein Sozialdemokrat mehr über die Lippen bringt:
"Jede Entscheidung zum Handel, zur Besteuerung, zur Einwanderung, zur Außenpolitik wird zum Wohl der amerikanischen Arbeiter und amerikanischen Familien gemacht. (..) Ich werde mit jedem Atemzug meines Körpers für euch kämpfen, und ich werde euch nie hängen lassen. Amerika wird wieder anfangen, zu gewinnen - gewinnen, wie nie zuvor. Wir werden unsere Arbeitsplätze zurückbringen. Wir werden unsere Grenzen zurückholen. Wir werden unseren Wohlstand zurückbringen."

Er versteht es, Sprüche zu machen, die von ihm erwartet werden. Man braucht dazu nicht viel auszuführen, der Kabarettist Werner Schneyder hat das in einem am 21.1. veröffentlichten Zeitungsinterview sehr kurz und prägnant zusammengefasst, auf die Frage "Wie erklären Sie sich Donald Trump", antwortete er: "Solche Figuren werden gewählt, wenn die Politik rundum versagt und das Gros der Menschen völlig zu Recht der Meinung ist, dass es vernachlässigt und nicht gleichberechtigt human behandelt wird."

Meinereiner sagt seit Jahren dasselbe! Die Rechtspopulisten entstehen nicht aus sich heraus, sondern aus der gesellschaftlichen Situation! Wenn Neoliberalismus und Globalisierung Entwicklungen verursachen, die als gegen die Masse der Bevölkerung gerichtet wahrgenommen werden und die etablierte Politik sich mit keiner Silbe damit befasst, dann steigen NATURWÜCHSIG, also geradezu EVOLUTIONÄR, Rechtspopulisten empor. "Populos" ist das lateinische Wort für "Volk".

Im alten Rom gab es dazu schon passende politische Strömungen, die Optimates und die Populares, schauen wir in Wikipedia nach:
Optimaten
(lat. optimates, dt.: die Besten, Singular: optimus; seltener boni, die Guten, genannt) waren die Vertreter des konservativen Adels und die Verfechter der Vorherrschaft des Senats in der späten Römischen Republik.
Als Popularen (lat. popularis, dt.: volksfreundlich, populär) wurden (..) in der späten Römischen Republik jene Politiker bezeichnet, die sich auf die Volksversammlung stützten und damit teils auf den Willen des Volkes beriefen.

Wir lernen daraus: es sind nicht die "Gutmenschen", die populär sind, es sind die Populisten. Da es keine Linkspopulisten gibt, weil was sich heute "links" nennt, sind die weltrettenden Gutmenschen, die ihre unglücklichen Nächsten in der neoliberalen Gesellschaft überhaupt nicht mehr wahrnehmen.

Das Gejammer von weltblinden Journalisten über Trump macht klarerweise den Rechtspopulismus populärer.
Weil der Populus hat es gelernt, wenn die Medien dagegen sind, dann sollen sie eher dafür sein, weil die Medien nie was mit der Situation der Masse der Bevölkerung zu tun haben, Ängste, Befürchtungen, Benachteiligungen, Demütigungen, die Millionen Österreicher treffen, sind in der Masse der Medien nicht einmal im Mikroausmaß aufzufinden.

Trump ist allerdings nun in der Lage, dass er beweisen muss, es besser machen zu können.
Was ihm kolossale Probleme bringen wird. Seine Losung "America first!" kommt bei den sich zurückgesetzt Fühlenden natürlich gut an. Trump beschreibt die Situation so: "Wir haben die Grenzen anderer Länder verteidigt, aber uns geweigert, unsere eigene zu verteidigen. Wir haben Billionen und Aberbillionen von Dollar im Ausland ausgegeben, während die amerikanische Infrastruktur zerfallen ist. Wir haben andere Länder bereichert, während sich der Reichtum, die Stärke und das Selbstbewusstsein unseres eigenen Landes sich über dem Horizont aufgelöst hat. Eine Fabrik nach der anderen schloss und verließ das Land, ohne auch nur einen Gedanken an die Millionen und Abermillionen amerikanischer Arbeiter zu verschwenden, die zurückgelassen wurden. Der Reichtum unsere Mittelklasse ist von ihr gerissen und in der ganzen Welt verteilt worden. Aber das ist Vergangenheit."

Dass es wohl schwer sein wird, das auch im von Trump geschilderten Sinn zu verwirklichen, also die Globalisierung rückgängig zu machen, lässt sich sogar marxistisch beschreiben. Denn Marx hat den Wert der erzeugten Produkte über die darin enthaltene notwendige menschliche Arbeitszeit definiert. Wenn durch Auslagerungen nun Produkte mit Massennachfrage in Ländern erzeugt werden, wo die notwendige Arbeitszeit deutlich billiger zu haben ist, weil in diesen Ländern Lebensstandard und Lebensgrundkosten niedriger sind, dann muss das zumindest teilweise an die Käufer in den USA weitergegeben werden, TV-Geräte, Computer usw. wurden durch die Globalisierung in der Herstellung deutlich billiger und sind jetzt auch in den entwickelten Staaten billiger als früher, weil dieses Auslagern ähnliche Effekte hat wie Rationalisierung. Die letztere löst jedoch den Effekt des tendenziellen Falls der Profitrate aus.

Es liegt im Interesse des Kapitalisten für möglichst wenig Kapitaleinsatz, möglichst viel Profit einzuheimsen. Das konstante Kapital (c) - den Kapitalaufwand für Rohstoffe, Maschinen, Gebäude - kann er letztlich nicht entscheidend steuern, das ist der Anteil seines Mitteleinsatzes, der ihm vorgegeben wird. Er wird daher danach streben, den variablen Anteil (v) - den Kapitalaufwand für die Arbeitskräfte - zu reduzieren, also mit weniger Arbeitskräften, mehr zu produzieren.

C ist ein Durchlauferposten, ein Kapitalaufwand, den der Kapitalist nur weitergibt, während v der wertschöpfende Teil des Kapitaleinsatzes ist, aus dem einfachen Grund, weil die menschliche Arbeitskraft mehr Werte schafft als sie kostet. Um den v-Anteil zu senken, wird ein Mehr an Maschinen, an Technik, also mehr konstantes Kapital benötigt. Mit der Verschiebung der Kapitalsanteile von v nach c verringert sich jedoch auch der Anteil an der Wertschöpfung gemessen am Gesamtkapitaleinsatz.

Der Kapitalist erzeugt zwar laufend mit weniger Leuten mehr Güter, er verdient aber pro erzeugtem Produkt tendenziell weniger. Das zwingt ihn wieder dazu, noch mehr zu rationalisieren, mit noch weniger Leuten, noch mehr zu produzieren, was aber weiter seine Profitrate pro Produktstück reduziert. Aber bei Strafe des sonstigen Untergangs kann er aus diesem Teufelskreis nicht aussteigen. So erzeugen immer größere Firmen mit immer größerem Kapitaleinsatz immer mehr Produkte, aber verdienen nur durch die Ausweitung der Produktion mehr. Darum ist der Wirtschaftszuwachs so ein elementares Merkmal!

Ohne globale Produktionsverlagerung würde bei landeseigener Erzeugung der durch die Auslagerung erreichte Kostenunterschied wegfallen, den Schaden davon hätten jedoch nicht nur die Konzerne, sondern auch die Käufer. Die USA durch Importzölle abzuschotten, würde auch Nachteile bringen, weil die USA trotz der Auslagerungen der Herstellung von Massenprodukten immer noch ein Exportland sind, das zweitgrößte nach China. Allerdings besteht die Hälfte des Exports aus Finanzmitteln (die von Trump angeführten Billionen - "trillions"), die andere Hälfte hauptsächlich aus gehobenen technischen Produkten. Wenn aber die Auslandsinvestitionen wegfielen und das Geld im Inland investiert werden müsste, könnte in einem längeren Zeitraum das technisch so hoch entwickelte Land wohl vielleicht wirklich autark existieren, was eher dem Profitstreben der Konzernen als der arbeitenden Bevölkerung Nachteile brächte. Trump hat also eventuell vielleicht wirklich Möglichkeiten, die Welt zu verändern...

Man sieht es ja auch an den Reaktionen der österreichischen neoliberalen Medienlandschaft, Trump ist nicht willkommen, denn er könnte zumindest das herrschende Ausbeutungssystem durcheinanderbringen und darum muss es auch in Österreich erstmals gegen einen US-Präsidenten Widerstand geben, denn die etablierte heilige Devise hat unabdingbar und widerspruchslos weiterhin zu lauten: "Heil dem Profit"!

Der Rechtspopulismus wird deswegen weiterhin emporsteigen, er kann sich nur noch selber Schaden zufügen, seine Gegner sind längst zu seinen besten Handlagern geworden...

PS: Bei den obigen Attacken gegen österreichische Journalisten fehlt die Differenzierung, es sind nicht alle Medien gleich, nach dem Lesen der sonntäglichen Kronenzeitung muss festgehalten werden, das Blatt weiß, dass es Nachrichten und Auslegungen gibt, die nicht kompatibel zu den Weltsichten der Optimaten (s.o.) sind und da man bei dieser Zeitung ja von der Lesermasse lebt, sind dort zensurfrei auch anderswo unzulässige Ansichten zulässig...