Gegen Spekulationen mit Nahrungsmitteln!

Aussendung von Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, vom 10.2.2017:

Regeln gegen Nahrungsmittelspekulationen dürfen nicht zum Papiertiger verkommen

Das Europaparlament stimmt nächste Woche über Vorschläge ab, wie die Begrenzung von Nahrungsmittelspekulation im Europäischen Binnenmarkt umgesetzt werden soll. Im Zuge der überarbeiteten Finanzmarktrichtlinie ("Markets in Financial Instruments Directive II", kurz: MiFID II) gelang auf europäischer Ebene ein großer Erfolg gegen die Nahrungsmittelspekulation.

Europaparlament und EU-Mitgliedstaaten einigten sich vor drei Jahren nach zähen Verhandlungen erstmals auf scharfe Regeln für die Spekulation mit Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen. Zur technischen Umsetzung dieses politischen Ergebnisses haben die EU-Kommission und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) detaillierte Regeln (sogenannte "regulatorische technische Standards") erarbeitet. Über die Vorschläge zu diesen Detailregeln wird das Europaparlament nächste Woche abstimmen. Die Regeln für Begrenzungen von Spekulationen auf Waren ("Positionslimits") ermöglichen den nationalen Finanzaufsichtsbehörden weiterhin sehr hohe Grenzwerte zu bestimmen. Auch der Faktor der Schwankungsbreite von Preisen wird bei der Bestimmung von Positionslimits nicht ausreichend berücksichtigt. Schließlich enthalten die Vorschläge eine sehr beschränkte Definition von außerbörslich gehandelten Verträgen ("OTC contracts"), die für die gleichen Rohstoffgeschäfte eingesetzt werden können. Damit schaffen die momentan vorliegenden Regeln ein Schlupfloch zur Umgehung der Positionslimits. Bevor die technischen Standards in Kraft treten können, kann das Europaparlament über die Regeln eine Abstimmung herbeiführen. Bei Zustimmung treten die Regeln in Kraft. Eine Ablehnung durch das Europaparlament wäre ein Auftrag für EU-Kommission und ESMA, in ihren Vorschlägen strengere Regeln zur Begrenzung von Rohstoffspekulation einzuarbeiten. In den letzten Tagen haben uns viele E-Mails von Bürgern erreicht, die sich für strenge Grenzen für Nahrungsmittelspekulation ausgesprochen haben und eine Ablehnung der momentanen Vorschläge zu den entsprechenden Umsetzungsregeln unterstützen.

Sven Giegold kommentiert:

"Zur Eindämmung von rücksichtslosen Nahrungsmittelspekulationen brauchen wir harte Regeln statt eines Papiertigers. Die ursprünglich scharf gezogenen Grenzen für Nahrungsmittelspekulation dürfen nicht verwässert werden. Die EU kann nur dann Vertrauen der Bürger zurückgewinnen, wenn sie sich Regeln gibt, die wirksam und zum Wohle der Menschen sind. Europa verrät seine eigenen Werte, wenn es nicht rigoros gegen Nahrungsmittelspekulationen auf Kosten von Menschen und Landwirte in Entwicklungsländern vorgeht. In Zeiten zahlreicher innerer und äußeren Krisen, muss Europa zu seinem politischen und sozialen Fundament stehen. Die Konservativen und Liberalen tragen zum Europafrust der Bürger bei, wenn sie unwirksame Regeln gegen Nahrungsmittelspekulationen durchdrücken wollen.
Bereits vor über einem Jahr haben die zuständigen Europaabgeordneten der EU-Kommission in einem Brief mitgeteilt, dass erhebliche Nachbesserungen notwendig sind, um Nahrungsmittelspekulation wirksam einzudämmen. Die EU-Kommission hat die Kritik von uns EU-Abgeordneten nicht ausreichend berücksichtigt. Markus Ferber (CSU/EVP) hat als Berichterstatter des EU-Parlaments kein Rückgrat bewiesen. Obwohl Ferber die Vorschläge der EU-Kommission anfangs kritisiert hat, stimmte er am Ende ohne substantielle Verbesserungen zu. Ferber ist gegenüber der EU-Kommission eingenickt. Anders als Ferber vorgibt, würde eine Ablehnung der vorgeschlagenen mangelhaften Regeln nicht die Umsetzung der gesamten Finanzmarktrichtlinie blockieren: Die Regeln zu Rohstoffspekulationen machen lediglich einen Bruchteil der MiFID II- Umsetzungsarbeit aus, der schnell korrigiert werden kann, wenn die Kommission mehr politischen Willen zeigt.
Das Europaparlament muss durch eine Ablehnung der Regeln zeigen, dass es sein Kontrollrecht ernst nimmt. Wir sind kein Abnickgremium für Vorschläge der EU-Kommission, sondern haben ein wirksames Kontrollrecht, das wir auch nutzen müssen."

Die Grüne Resolution zur Ablehnung der Kommissionsvorschläge zur Umsetzung der Begrenzung von Nahrungsmittelspekulation mit Vorschlägen zur Behebung dieser Defizite finden Sie hier!
Die Vorschläge zur Umsetzung der Begrenzung von Nahrungsmittelspekulation im Europäischen Binnenmarkt der EU-Kommission finden Sie hier!
Den Brief der Verhandlungsdelegation des Europaparlaments an die EU-Kommission zur MiFID II Umsetzung und dem Nachbesserungsbedarf bei den Regeln zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation finden Sie hier!
Aktionen der Zivilgesellschaft zu unserer Abstimmung: WeMove.EU!