Folgende kurz skizzierte Aussagen basieren nicht auf einer statistischen
wissenschaftlichen Untersuchung sondern auf der zeitgeschichtlichen Methode
der teilnehmenden Beobachtung.
Ohne Zweifel finden wir seit Jahren
bei steirischen Jugendlichen einen beachtlichen Hang zu rechten, aber auch,
quantitativ geringer, zu rechtsextremen Einstellungen, die meist als nicht reflektierte
Meinungen geäußert werden. Viele dieser „Ansagen“ sind Mainstream
geworden. In etlichen Fällen artikulieren sich diese Haltungen als „Verständnis“
für rechtsextreme Gruppen, Parteien und Trends, so z.B. für Pegida.
Oder es werden rassistisch geprägte, abwertende Meinungen über andere
Kulturen, Ausländer_innen, Asylanten_innen verbreitet, die zwar teilweise
einen nachvollziehbaren Background haben, durch ihre generell fremdenfeindliche
Ausrichtung aber problematisch sind. (Der österreichische Homo Sapiens,
so auch seine steirische Variante, ist generell nicht unbedingt weltoffen und
Liebhaber des Fremden, Anderen. Ausnahmen bestätigen die Regel.) Primäres
Feindbild ist der Islam, bezüglich dessen Ausbreitung und „Übernahme“
unseres Landes deutliche Ängste bestehen. Diese Einstellungen habe ich
in der Tendenz häufiger bei in ländlichen Regionen beheimateten jungen
Menschen entdeckt, in Graz ist die „liberale“, eher fremdenfreundliche Jugendfraktion
deutlich stärker ausgeprägt.
Soweit ich es erkennen konnte,
sind diese rechten Einstellungen untrennbar mit Ängsten verbunden,
wie z.B. Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der eigenen tradierten
kulturellen Bräuche. Dazu, meist unbewusst, gesellt sich die Erfahrung,
dass Gehälter und Löhne spürbar mit der Teuerung nicht Schritt
halten, soziale Leistungen, Garanten unserer Demokratie, permanent, und meist
stillschweigend, abgebaut werden. So entwickelt sich ein Bedrohungsszenario:
„Die“ nehmen uns zu viel weg. Die hohen Kosten der Asylantensituation zu verschweigen
ist kontraproduktiv. Jede Form der Tabuisierung fördert weltverschwörungstheoretische
Tendenzen, die oft antisemitische Wurzeln haben. Die feigen Versuche, reale
Problemfelder betreffend die Konfliktsituationen zwischen Ethnien, zwischen
„Alteingessenen“ und zugezogenen Migrant_innen etc. zu vertuschen - Konflikte,
die Jugendliche live erleben - haben das Vertrauen in unser politisches System
bedauerlicherweise untergraben.
Bleibt die Feststellung, dass durch moslemische
Jugendliche, mit denen ich wenig zu tun habe (mein Gebiet sind die steirischen
„Alteingessenen“), der Antisemitismus deutlich angestiegen ist, was eine ideologische
inhaltliche Verbindungslinie zu Neonazis darstellt. Zur Warnung: In Malmö,
der multikulturellsten Stadt Europas mit hohem und weiter steigendem Moslemanteil,
können jüdische Kinder nur mehr in schwer bewachte jüdische Kindergärten
gehen, viele Juden verlassen gegenwärtig aus Angst die Stadt.
Konkrete
umfassende, präventive Aktionen, um den Extremismus einzudämmen und
zu befrieden wären, wie ich stets betonte, spätestens im Jahre 2000
angesagt gewesen. Inzwischen stehen wir einer höchst komplexen, nur mehr
schwer zu erkennenden gesellschaftlichen Situation gegenüber.
Halten
wir fest: In unserem Land lebt nun eine große Anzahl an Ethnien und
Kulturen, die vielfach miteinander verfeindet sich, die auch untereinander wegen
verschiedener religiöser und politischer Überzeugungen zerstritten
sind. Die Verhaftung vieler dieser Menschen in schwer patriarchalen, ehrenkultischen
Großfamilienformen erleichtert die Situation nicht. Der Durchblick fehlt
hier in der offenen Jugendarbeit, bei freiwilligen Flüchtlingshelferinnen
etc.. Keine einfache Strategie wird mit dieser komplexen, vielschichtigen, multidimensionalen
Situation sinnvoll umgehen können. Weit verbreitet ist bei vertraulichen
Gesprächen mit Personen der offenen Jugendarbeit und Jugendverantwortlichen
die etwas resignative Meinung, dass wir diesen Problemfeldern nicht mehr gewachsen
sind. Ich hoffe, diese Personen, deren Arbeit ich schätze, irren sich in
diesem Punkt.
Uns stehen keine leichten Zeiten bevor.