Gottvoll gottlos

So titelte am 13.4.2017 Christian Rainer seinen Profil-Leitartikel.

Er zählt dann widersprüchliche Thesen und Untersuchungen darüber auf, ob der Einfluss von Religionen mehr oder weniger wird. Er meint dazu u.a. konkret: " Etwa die Hälfte der Österreicher (..) denkt agnostisch oder atheistisch, und dieser Anteil dürfte über die Jahrzehnte ziemlich sicher stetig gewachsen sein."
Und er resümiert: "Ist die Religion gut oder schlecht für die Welt, soll es mehr oder weniger gläubige Menschen geben? Solange der Glauben in jedem Moment des Lebens Privatsache bleibt, solange sich kein Gesetz nach ihm richtet, kein Verwaltungsakt, kein Karrieresprung, auch nicht der Zusammenhalt von Familien und Generationen - so lange soll Religion eine Möglichkeit für den Menschen bleiben. Nicht mehr und nicht weniger."

Dazu gab es in der Ausgabe vom 22.4.2017 den folgenden Leserbrief:

Man könnte formulieren: "Alles wird schlechter, nur eins wird besser: Die Religion wird auch schlechter!" Der "Freedom of Thought Report" zeigt auf, dass die Religiosität überall dort sinkt, wo eine liberale, demokratische Ordnung Platz greift. Das ist in Österreich zwar der Fall, in der Politik und in den Medien wird dies jedoch nicht reflektiert. Alle Parteien haben Angst vor der Kirche, sie wagen es nicht einmal, obsolet gewordene Verträge aus der faschistischen Zeit fallen zu lassen, die Österreich aus der kirchlichen Umklammerung lösen würden. Die Kirche wird mit Milliardenbeträgen gefüttert. Ihr Mediengewicht ist abenteuerlich. Religionen sind eine logik- und kritikfreie Zone. Es gibt z. B. im ORF einen Maulkorberlass für kirchenkritische Kreise. Kritik gibt es nur, wenn Verbrechen im Spiel sind. Legal eine Demokratie, real eine Partial-Theokratie. Die Kirche wirkt weit in die Politik hinein: Das derzeit aktuellste Beispiel ist die Blockade der Einführung des Ethikunterrichtes durch konservative Politiker. Dabei wäre es wichtig, diesen Schritt zu setzen, sonst wird die Zukunft unserer Kinder verspielt: Sie müssen heute lernen, wie andere Menschen denken, und nicht, dass andere Menschen, z. B. Ungläubige, verdammt sind. Genauso wie wir heute "Politische Bildung" und nicht "ÖVP- oder SPÖ-Kunde" lehren, sollten die Kinder "Ethik- und Religionen-Unterricht" erhalten.
GERHARD ENGELMAYER Vorsitzender der Freidenker und der Konfessionsfreien via e-mail

Wozu atheisten-info anmerken kann:

Sogar in den USA ist inzwischen schon klar, dass der Glaube ab- und der Unglaube zunimmt, zwar langsam, denn in den USA, einem Land mit wenig Sozialstaat und viel kapitalistischer Ausbeutungsherrschaft, ist die Religion, das "Opium des Volkes", auf einem etwas gehobenerem Niveau immer noch in Gebrauch: als Umgang mit unbewältigbarem Unglück und Elend, als Seufzer der bedrängten Kreatur, als Gemüt einer herzlosen Welt und als Geist geistloser Zustände. In Österreich ist die Lage viel besser, wie jüngst einer Umfrage zu entnehmen war, deklarieren sich zurzeit nur noch elf Prozent als religiös.

Dass immer noch knapp 59 % der Österreicher der katholischen Kirche angehören, hängt offenbar immer noch mit der von Engelmayer geschilderten öffentlichen Verherrlichung der Kirchen durch Politik und Medien zusammen, offenbar haben auch viele längst nicht mehr religiöse Mitglieder der katholischen Kirche heute noch den Eindruck, es wäre ungehörig, nicht katholisch zu sein! Bei den jungen Leuten, welche die alten Zeiten der katholischen Allmacht und der öffentlichen Unterwerfungspflicht nicht selber kennengelernt haben, wird das aber wohl auch spürbar weniger werden. Auch wenn die Politik zu dämlich ist, zu begreifen, dass Religion defakto längst Privatsache geworden ist!