Idea: In der evangelischen Kirche sind die Grundlagen des Glaubens
bedroht. Die vier Prinzipien der Reformation - allein Christus, allein die Gnade,
allein der Glaube und allein die Heilige Schrift - werden systematisch demontiert.
Diese Ansicht vertritt der Vorsitzende des "Netzwerks Bibel und Bekenntnis",
Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur
idea. Parzany war Hauptredner der Evangelisation proChrist sowie CVJM-Generalsekretär.
Ihm zufolge ist die Bibel in der evangelischen Volkskirche nicht mehr verbindlicher
Maßstab für Lehre und Glauben. Zwar lege jeder Pfarrer ein Ordinationsgelübde
auf Bibel und Bekenntnis ab, die Praxis sehe aber anders aus. Die Krise der
Kirche sei eine Krise der Verkündigung, weil das Vertrauen in die Autorität
der Bibel verschwunden sei.
Atheistische Anmerkung: Die evangelische
Volkskirche gibt's nimmer. Zwar hat in Deutschland die evangelische Kirche immer
noch über 22 Millionen Mitglieder, seit 1990 sind es aber um über
sieben Millionen weniger geworden und aktuell treten jährlich weitere 150.000
bis 200.000 aus, der Besuch der Sonntagsmesse liegt bei vier Prozent. Was
will der Herr Parzany machen gegen die verschwundene Autorität der Bibel?
Idea:
Auswirkung der historisch-kritischen Bibelauslegung ist "verheerend"
- Die historisch-kritische Bibelauslegung beherrsche seit langem die Theologischen
Fakultäten und habe auch an freikirchlichen Ausbildungsstätten Einfluss
gewonnen. Dies wirke sich auf die Verkündigung in den Gemeinden verheerend
aus. Parzany: "Im Grunde ist ‚Jesus Christus‘ eine Leerformel geworden,
die jeder nach seinen Vorstellungen füllt." Viele Pfarrer sagten,
es komme nicht darauf an, ob Jesus tatsächlich von der Jungfrau Maria geboren
worden sei, ob er Wunder getan habe und ob er vom Tod leiblich auferstanden
ist. In vielen Kirchen werde nur noch Religion betrieben, ohne mit der Wirklichkeit
der Auferstehung Jesu zu rechnen.
Atheistische Anmerkung:
Ja, die historisch-kritische Bibelauslegung war auch ein Verdienst der Protestanten,
einem Evangelikalen ist das natürlich ein Gräuel, aber glaubt er im
Ernst, eine unhistorisch-unkritische Bibelauslegung würde dagegen helfen?
Diese gibt's bei den Katholiken, dort ist die Lage deswegen etwas besser, weil
die katholische Kirche keine unverbindlichen Beliebigkeiten fördert, aber
so groß ist der Unterschied auch nicht, das Wesen der Religionen (abgesehen
vom Islam - dort herrscht ja weitgehend noch religionsstützende Bildungslosigkeit)
an sich ist es: die Glaubensgrundlagen vertreiben die Gläubigen,
weil die sind nicht sehr viel glaubwürdiger als Kleinkinderglaube an den
Osterhasen.
Idea: Parzany kritisiert "Ehe für alle"
und Präses Michael Diener - Parzany äußerte sich auch zum Kurs
der Deutschen Evangelischen Allianz. Sie solle sich bei Streitfragen nicht nur
hinter verschlossenen Türen äußern, sondern die öffentliche
Auseinandersetzung suchen. Parzany: "Wir können den Gemeinden nur
dadurch Orientierung geben, dass wir öffentlich Meinungsverschiedenheiten
zum Ausdruck bringen. Wir müssen sagen, was nach Gottes Maßstäben
gilt - und wir müssen zu Fehlentwicklungen ebenso klar Nein sagen."
Parzany bekräftigte seine Kritik am früheren Allianz-Vorsitzenden
Michael Diener (Kassel). Er ist Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes
(Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften) und Mitglied der Leitung der
EKD - dem Rat. Das Leitungsgremium hatte kürzlich eine Stellungnahme verabschiedet,
in der die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften
begrüßt wird. Diener äußerte sich öffentlich nicht,
ob er den Beschluss mitträgt. Dazu Parzany: "Ich halte dieses Votum
für einen Skandal, der nicht unwidersprochen hingenommen werden darf."
Eine Kirche, die einer solchen Entscheidung zustimme, werde "zum Speichellecker
der Gesellschaft".
Atheistische Anmerkung: Ja, so einfach
ist das nicht! Die Volksmassen orientieren sich längst nimmer an irgendwelchen
göttlichen Maßstäben! Recht hat Parzany allerdings mit dem
Hinweis auf die protestantischen Anpassungsfähigkeiten ("Speichellecker
der Gesellschaft"), das fördert die sich ausbreitende Areligiosität
natürlich, weil wenn frühere Positionen unwichtig werden und das allgemein
übliche Verhalten im Säkularismus kirchliche Akzeptanz findet, dann
sinkt logischerweise das religiöse Interesse noch schneller! Die Katholiken
brauchen zu allem immer etwas länger!
Wobei jetzt diesbezüglich
eine bemerkenswerte Entwicklung aufgetreten ist, das die längste Zeit
schwerstkatholische Malta zeigte dieser Tage die Beschleunigung des Aufholprozesses:
Erst 2010 wurde dort die Einführung der staatlichen Ehescheidung in Angriff
genommen, im Mai 2011 sprachen sich bei einer Volksabstimmung 53 % der Einwohner
des nach dem katholischen Malteserorden benannten Landes für die Ehescheidung
aus, sie wurde eingeführt und am 12.7.2017 hat jetzt das Parlament Maltas
die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare beschlossen.
Dagegen stimmte nur ein einziger Abgeordneter der oppositionellen Nationalisten.
Und als Schluss einige Zitate aus der "Frankfurter Allgemeinen" vom 11.7.:
"Luther ist die Pleite des Jahres - Das Jubiläum der Reformation
sollte ein einziger großer Erfolg werden. Doch die Zwischenbilanz ist
ernüchternd, denn die Kundschaft bleibt aus. (..)Vielfach sind die Besucherzahlen
hinter den Erwartungen zurückgeblieben, teils sogar drastisch. Die Zwischenbilanz
fällt jetzt, in der Mitte des Jubiläumsjahrs, ernüchternd aus.
Weltausstellung in Wittenberg, Kirchentag in Berlin, 'Kirchentage auf dem Weg',
Abschlussgottesdienst - überall lagen die Zahlen niedriger als vorausgesagt.
(..) Mancherorts setzt schon eine Debatte ein, wer für die Finanzlöcher
am Ende aufkommen muss, die den Veranstaltern nun durch entgangene Einnahmen
drohen. (..)"
Dem Säkularismus könnte nur schaden, wenn was passiert, mit dem Menschen nicht fertigwerden (können), etwa große Naturkatastrophen: wenn man sozusagen keine Hoffnung mehr hat und darum wieder eine höhere Macht um Hilfe anfleht. Früher haben Menschen das schon gemacht, wenn Kindern Masern hatten, heute braucht man dazu weitaus elementarere Tragödien. In Zeiten des Klimawandels und des weltweiten Terrors sind solche nicht gänzlich auszuschließen. Aber auch dann wird kein Jesus als Helfer vom Himmel steigen, weder der evangelikale, noch der katholische...