In der BRD gibt's die LINKE, nach dem Ende der DDR startete der Neubeginn aus den Trümmern der SED zuerst bis 2007 mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), dann folgte die Fortsetzung als "DIE LINKE". 2009 hatte man das beste Wahlergebnis mit 11,7%, 2013 waren es 8,6 %, bei den aktuellen Umfragen zur heurigen Bundestagswahl liegt die LINKE zwischen acht und zehn Prozent. Die Partei hatte wohl in Überresten marxistischer Traditionen bisher deutlich säkulare Positionen eingenommen. Im Mai 2016 hat man jedoch damit begonnen, diese Ausrichtung zu liquidieren. Besonders hat sich dazu Bodo Ramelow, seit Dezember 2014 Ministerpräsident in Thüringen, hervorgetan, er hoffte u.a. auf eine Audienz beim Papst, im Juni 2017 wurde die Auflösung der Kirchenstaatsverträge aus dem 19. Jahrhundert nicht ins Wahlprogramm aufgenommen, der Fraktionschef Dietmar Bartsch vertrat im Juli 2017 die Ansicht, die Politik der SED gegen die Kirchen wäre falsch gewesen. Das Gebiet der Ex-DDR ist heute einer der religionsfreiesten Bereiche der Welt, die LINKE sieht das als Fehler. So deppert muss man einmal werden können!
Werte Genossinnen und Genossen,
ich trat am 1.10.2014 aus innerer Überzeugung
der Partei der LINKEN bei, weil ich alle (!) meine politischen Vorstellungen
im Programm trefflich vertreten sah und ich mich nach wie vor angenommen fühle,
sowohl in meiner Eigenschaft als verpartnerter Homosexueller als auch als überzeugter
Humanist.
Bei aller großen Bedeutung sozialer Gerechtigkeit (jenseits
von Martin Schulz‘ leeren Worthülsen!), fairer Arbeitsbedingungen und lebenswürdiger
Bezahlung auch der Rentner, der Abrüstung mit dem Ziel der Friedenssicherung
in der Welt erkannte ich die besondere Glaubwürdigkeit der LINKEN - damals
- auch und gerade in der für mich ganz wesentlichen Rolle als einziger
säkular orientierter Organisation innerhalb des bundesdeutschen Parteienspektrums.
Leider
hat die LINKE in jüngster Zeit - spätestens mit dem äußerst
zweifelhaften, weil von der Parteiführung undemokratisch aufoktroyierten
"Rückholungsantrag" über Nacht zum bereits getroffenen Beschluss
der Auflösung aller Staats-Kirchen-Verträge - beim letzten Parteitag
im Juni vollkommen ohne Not dem Säkularismus abgeschworen und damit sicher
einige überzeugte Genossen vor den Kopf gestoßen wenn nicht gar deren
Austritt aus der Partei provoziert oder zumindest billigend in Kauf genommen.
Ralf Michalowsky, einer der Sprecher der BAG Laizismus in der LINKEN, brachte
das kürzlich in einem Kommentar
auf den Punkt.
Die Parteiführung widerspricht mit diesem Kniefall -
nicht etwa vor den Gläubigen, sondern vor deren organisierten Anführern
- u.a. der humanistischen "Amsterdam-Deklaration" vom IHEU-Kongress
2002, insbesondere nachstehenden wesentlichen Zielen:
"Humanisten glauben, dass die Lösungen zu den Problemen der Welt im
menschlichen Denken und Handeln liegen statt in göttlicher Intervention."
(Artikel 2)
"Humanismus
ist undogmatisch und erlegt seinen Anhängern kein Glaubensbekenntnis auf.
Er ist daher der Bildung und Erziehung frei von Indoktrination verpflichtet."
(Artikel 4)
"Die
großen Weltreligionen behaupten, sie basierten auf Offenbarungen, die
für die Ewigkeit feststünden, und viele trachten danach, der gesamten
Menschheit ihre Weltsicht aufzuerlegen." (Artikel 5)
Womit wir bei der
unsäglichen "Ewigkeitszusage" des Genossen Bodo Ramelow angelangt
sind, die dieser wider besseren Wissens um den wahren (nämlich auf die
verbleibende Lebenszeit damaliger natürlicher Personen beschränkten!)
Inhalt des "Reichsdeputationshauptschlusses" qua seines Amtes postulierte
und damit m.E. den Anstoß zur zunehmenden Hinwendung zahlreicher Parteigrößen
zu "Übersinnlichem" gab - wie zuletzt auch zu meinem großen
Entsetzen seitens der von mir wegen ihrer stets rationalen Gedankenführung
hoch geschätzten Sahra Wagenknecht im domradio-Interview vom 7.7.2017,
anlässlich dessen sie die von den Kirchen übernommenen "traditionell
wichtigen sozialen Aufgaben" lobend erwähnte, ohne jedoch die nahezu
100%ige öffentliche Finanzierung dieser "Tendenzbetriebe" zu
erwähnen oder das von diesen dennoch durchgesetzte haarsträubende
kirchliche Arbeitsrecht zu kritisieren oder auch nur in Frage zu stellen. Und
ausgerechnet die Kirchen, die sie bei ihrer Kritik an einer "Gesellschaft,
in der Wenige immer größeren Reichtum anhäufen" als "Gewinnler"
offenbar vollkommen aus den Augen verloren hatte, "könnten noch viel
stärker eine kritische Stimme, ein kritisches soziales Gewissen der Gesellschaft
sein." Kein Sterbenswörtchen (!) über deren Intoleranz in vielen
gesellschaftlichen Fragen - von deren kategorischem Nein zur "Ehe für
alle" (die sie angesichts eines rein säkularen Rechtsaktes sowieso
nichts angeht!) über die Verweigerung der "Pille danach" (egal
für wen, aber in einem besonders krassen Fall sogar für ein Vergewaltigungsopfer
durch zwei selbstherrlich konfessionell geführte Krankenhäuser in
Köln!) bis zu deren lobbyistisch-aggressiver Einmischung beim Thema "Selbstbestimmten
Sterben", um nur wenige Beispiele zu nennen! Den Rückfall in ein solches
"soziales Gewissen" (?!) - bestimmt von einer Kritik-resistenten,
da seit Jahrhunderten bequem "gebetteten" Organisation, die sich stets
mit jeglichen Machthabern "einzurichten" wusste - als "moralischer
Instanz", in dem ich keinerlei Forderung nach Entgegenkommen entdecken
kann, verbitte ich mir als "Selbstdenker".
Sollten wir's nicht
besser erst mal aus eigener Überzeugung versuchen als in blinder Abhängigkeit
von klerikalen Tendenzbetrieben? Um es mit Christopher Hitchens‘ Worten zu sagen:
"Der menschliche Anstand (bzw. Ethik) ist nicht von der Religion (bzw.
Moral) abgeleitet. Er geht ihr voran."
Während sich dem offensichtlichen
Beschluss der Parteiführung (zur Wiederholung der Abstimmung auf "Biegen
und Brechen" solange, bis das Ergebnis passt!) führende Köpfe
wie Dietmar Bartsch, Gregor Gysi, Petra Pau und Oskar Lafontaine (wie im Beitrag
"Die Linke versagt im Kampf um ein aufgeklärtes Europa" in der
MIZ 2/16 geschildert) kritiklos, wenn nicht sogar überschwänglich
lobend beugen wie - nicht völlig überraschend! - auch die religionspolitische
Sprecherin der Linksfraktion Christine Buchholz, schwindet - trotz aller übrigen
großartigen Diskussionsbeiträge und politischen Entwürfe! -
mein Vertrauen in die gesellschaftlich offene, unverklärte und Vernunft-gesteuerte
Zukunft (m)einer Partei leider umgekehrt proportional.
Mit nachdenklich-solidarischen
Grüßen - Wolf-Jürgen Aßmus
Nachbemerkung atheisten-info: Es ist ja bekannt, dass Politiker sehr
häufig eine gänzlich falsche Vorstellung von der Bedeutung der Religion
in der Gesellschaft haben, sie glauben meistens, dass die Zahl der Mitglieder
in den Kirchen ein Ausdruck der Bedeutung der Religion in der Gesellschaft sei.
Näher beschäftigen sie sich damit nicht, dass wenn in der BRD von
den knapp 83 Millionen Einwohnern 55 Millionen den beiden christlichen Großkirchen
angehören, es deswegen nicht 55 Millionen praktizierende und religiös
geformte Menschen gibt. Die Religion wird von etwas mehr als drei von den 55
Millionen tatsächlich regelmäßig ausgeübt, die große
Mehrheit ist aus Tradition, aus sozialen Bezügen, aus Konformismus noch
Kirchenmitglied, ohne dass die religiösen Lehren für sie noch eine
wahrnehmbare Bedeutung hätten. Ebenso ist es atemberaubend, dass Politiker
in großer Anzahl immer noch keine Ahnung davon haben, dass kirchliche
Sozialdienstleistungsanbieter mit öffentlichen Geldern und nicht aus Kirchenmitteln
finanziert werden.
Aber die LINKE - deren Vorvorgängerpartei "SED
- Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" dem Säkularismus in
der DDR enormen Auftrieb gegeben hatte, der sich auch nach dem Konkurs der DDR
und der SED nicht nur hielt, sondern sogar noch deutlich erweiterte - meint
nun mit einem Schwenk zurück, aktive Gläubige in ihre Wählerschaft
holen zu können. Nu, vielleicht gelingt es, drei Dutzend von den drei Millionen
praktizierenden Christen dazu zu bewegen, aber die möglichen Wähler,
die durch solche antisäkulare Dummheiten und Kriechereien in Kirchenärsche
verloren gehen werden, auf die verschwendet man keine Gedanken, ja man ignoriert
damit die Millionenschaften der Säkularisten vorsätzlich, Entschuldigung,
nicht vorsätzlich, sondern aus atemberaubender Dummheit!