Wie glauben heutige Reform-Muslime eine Reform des Islams schlüssig
begründen zu können?
Im Wesentlichen gründen alle heutigen Reformversuche auf einer Idee
der islamischen Rechtstheorie, die im 11. Jhd von al-Ġazālī formuliert und im
14 Jhd. von al-Schatibi erkenntnistheoretisch fundiert wurde. Im 19. und 20.
Jhd. wurde diese rechtstheoretische Idee von dem Ägypter Mohammed 'Abduh
wieder aufgegriffen und alle namhaften sunnitischen Reformer unserer Zeit sehen
sich in dieser Denktradition. Es geht um die sogenannten "übergeordneten
Ziele der Scharia", den "Maqased Al sharia". Kurz und knapp geht
es um folgende Idee:
Islamische Rechtsurteile und Normen, also Aussagen darüber, ob etwas
erlaubt oder verboten ist, werden aus sogenannten Rechtsquellen herausgelöst.
Die klassischen kanonischen Rechtsquellen sind erstens der Koran, zweitens die
Sunna (also Berichte über den Propheten Mohammed), drittens der Gelehrtenkonsens
und viertens der Analogieschluss.