EU als Aufstocker & Kriegstreiber

Publiziert am 10. Mai 2018 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Bei wissenbloggt wurde sich darüber mokiert, dass die EU eine Chance verpasste, sich mehr Geld zu verschaffen. Das war, bevor der "neue, moderne mehrjährige Finanzrahmen für eine Europäische Union, die ihre Prioritäten nach 2020 effizient erfüllt" vorgestellt wurde – auf eine Kurzformel gebracht: mehr und mehr (Bild: geralt, pixabay).

Es war schon klar, dass die EU auf Betteltour ist und den Brexit-bedingten Beitragsschwund überkompensieren möchte (14,1% mehr, nach anderer Rechnung 18% mehr, statt 7% weniger). Mit welcher List und Tücke dabei vorgegangen wird, zeigt sich dem Publikum aber erst jetzt. In einer MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT UND DEN RAT haben die Europäer ihre Vorstellungen dargelegt; es ist eine Wunschliste, die sich eher wie ein Rezept zur Machtergreifung liest (alle Beträge auf 7 Jahre bezogen) – die interessantesten Punkte sind:
Die Gesamtzahlen fehlen. Nirgends steht, dass das EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 auf 1.279 Mrd. Euros erhöht werden soll (im vorherigen 7-Jahres-Zeitraum waren es incl. Großbritannien 1.087 Mrd.)
Die immensen Sparmöglichkeiten Agrar (-60…-120 Mrd.) und Regionalförderung ("Kohäsionspolitik" -90…-124 Mrd.) werden in die neuen Forderungen reingemischt, anstatt sie als Sparpotential zu bilanzieren.
Wie immer fehlt beim Agrarbereich jede zukunftsweisende Unterstützung für die Entwicklung von beyond meat und anderen Produkten zur Ablösung der Massenviehhaltung.
Anstatt die nicht abgerufenen Gelder als schöne Sparmöglichkeit zu bilanzieren (-21…-28 Mrd.), soll ein euphemistisch benannter "Garantiefonds" eingerichtet werden, Motto: Alles muss raus.
Wie gewohnt werden die Schulden nicht erwähnt, welche die EU anhäuft, durch Pensionsverpflichtungen für mehr als 45.000 EU-Beamten, "offene Zahlungsermächtigungen", Fonds für regionale Entwicklung, Sozialfonds, Kohäsionsfonds, Fonds für ländliche Entwicklung / Fischerei, das Copernicus-Programm, grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte, der Juncker-Investitionsfonds, Fonds für Entwicklungshilfe und Migration, dazu Kredite und Kreditgarantien.
Bei den Geldquellen möchte sich die EU klarerweise von den Subsidien der Beitragsländer unabhängig machen, wo störende Parlamente das Aufblähen des Etats verhindern können. Sie wünscht dazu neue "Eigenmittel":
aus dem Emissionshandelssystem (7…105 Mrd.)
aus der Mehrwertsteuer (105…140 Mrd.)
aus der Körperschaftssteuer (21…140 Mrd.)
aus Seigniorage (Einkünfte EZB 10,5…56 Mrd.)

Eine Diskussion über das Sparen schenkt sich das EU-Papier. Dafür wird der Leser mit EU-Prosa beglückt: Ein "europäischer Mehrwert" soll erzielt werden. Dazu gibt es eine ominöse Statistik, bei der Deutschalnds "reale Einkommen" gegenüber 2014 um 117 Mrd. Euros gesteigert wurden, auf Platz 2 Frankreich mit 62 Mrd.

Die Behauptung von den realen Einkommensteigerungen findet sich immer mal wieder, nur hält sie keiner Überprüfung stand, Stichworte Steuerprogression, Abgabenerhöhungen, Minderung der Staatsleistungen. Dafür steigen die Ausgaben ständig, Stichworte Mieten, Staatsschulden (25.000 pro Person), implizite Schulden (noch höher), Infrastrukturverfall (noch mehr), Ausverkauf öffentlichen Vermögens (unbekannt), Euro-Risiken (5.000), Target-2-Kredite an die EZB (10.000).

Es gibt bloß spekulative Belege dafür, dass die EU irgendwelche Einkommenssteigerungen verursachte, aber auch die werden nicht benannt. Aussagekräftig ist allerdings das Bild der jährlichen Netto-Zahlungen in der EU (Bild: EU-Kommission), das durch die Darstellung vom "europäischen Mehrwert" quasi entschärft werden sollte:


Zwei Artikel weisen auf weitere Tücken hin (Der Weltmacht-Etat und Kreative Aufrüstung). Eine davon ist platterdings eine Machtergreifung, die andere ist Kriegstreiberei:
Die Konzeption sieht erstmals vor, EU-Staaten bei politisch missliebigem Verhalten mit Mittelkürzungen zu bestrafen. Diese Selbsterhebung der EU-Kommision zur Über-Regierung wird feinsinnig als "Disziplinierung der Peripherie" bezeichnet.
Und mehr Geld für Militär, Rüstung und Grenzabschottung; es soll de facto einen EU-Rüstungshaushalt geben, sowie eine "Europäische Friedensfazilität" außerhalb des EU-Budgets, um bislang existierende rechtliche Beschränkungen für die Finanzierung militärischer Vorhaben noch weiter zu umgehen.

Zu diesem Thema hat die junge Welt allerhand zu sagen. Demnach war es bislang nur unter größten Mühen möglich, das EU-Budget für Militärausgaben zu nutzen. Der Artikel 41(2) des Lissabon-Vertrags verbiete es eigentlich, Ausgaben der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" mit "militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen" aus dem EU-Haushalt zu bezahlen, solange es der Europäische Rat nicht einstimmig anders beschließt. Großbritannien setzte eine strikte Auslegung dieses Artikels durch, doch mit dem Brexit scheinen nun "rechtliche und finanzielle Dämme" zu brechen (3.). Die Gelder für die Rüstungsentwicklung wurden demnach kurzerhand auf die Rechtsgrundlage von Artikel 173 des "Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union" in Maßnahmen zur Wettbewerbsförderung umdeklariert. Die dürfen nämlich im Gegensatz zu militärischen Vorhaben der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" aus dem EU-Haushalt bezahlt werden (zur "Verteidigungsunion" siehe auch den wb-Link Kriegstreiberei und den Aktionsplan zur militärischen Mobilität).

Eine Liste der Positionen mit den obigen Einsparungen (1…3) und Einnahmen (4…7) und den weiteren Ausgaben aus dem Paper (8…21, Beträge wieder auf 7 Jahre bezogen und gemittelt):


1 "umfassende" Grenz- und Küstenwache
2 "verbesserte" Europäische Grenz- und Küstenwache
3 "vollständig integriertes" EU-Grenzmanagementsystem
4 "separat" sonst "aufgrund der Beschränkungen der Verträge" nicht abzudecken (!)
5 euphemistisch für Wirtschafts- und Währungsunion

Den rund 200 zu sparenden Mrd. stehen rund 850 gewünschte neue Mrd. gegenüber. Die Begründung für solche Gier fällt schwach aus bzw. ganz weg. Zur Aufrüstung heißt es: Der im Juni 2017 ins Leben gerufene Europäische Verteidigungsfonds wird schrittweise aufgebaut (also den haben sie gemacht ohne irgendwen zu fragen, und wo er nun mal da ist, muss er gepäppelt werden). Der Europäische Verteidigungsfonds hat das Potenzial, die strategische Autonomie der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen  Verteidigungsindustrie erheblich zu stärken.

Also darum geht es. Tja, da müssen nur noch passende Angreifer herangezogen werden. Schwierig, nachdem Russland seinen Militäretat senkt, der ohnehin nur einen einstelligen Prozentwert vom Nato-Etat ausmacht (Russland 2017: 66 Mrd. / Nato 2017: 900 Mrd. = 7,4%, - Ranking der 15 Länder mit den weltweit höchsten Militärausgaben im Jahr 2017).