Söder bei Facebook: "Klares Bekenntnis zu
unserer bayerischen Identität und christlichen Werten. Haben heute im
Kabinett beschlossen, dass in jeder staatlichen Behörde ab dem 1. Juni
ein Kreuz hängen soll. Habe direkt nach der Sitzung ein Kreuz im
Eingangsbereich der Staatskanzlei aufgehängt."
Das bayerische Kabinett unter Neu-Ministerpräsident Markus Söder hat
beschlossen, in den Eingangsbereichen aller staatlichen Gebäude in
Bayern Kreuze aufhängen zu lassen. Dies widerspricht ganz offensichtlich
dem Grundsatz (Art. 4 GG), dass sich der Staat in
religiös-weltanschaulichen Fragen neutral zu verhalten hat.
Markus Söder kennt natürlich den genannten Grundgesetzartikel, und
daher behauptet er, das Kreuz sei ja kein religiöses Symbol, sondern ein
Merkmal bayerischer Identität. Darüber mag er mit Vertreterinnen und
Vertretern der christlichen Konfessionen streiten - es spricht Bände,
dass sich Ex-Ministerpräsident Seehofer dazu nicht äußern möchte! -, die
dieser Sichtweise aus verständlichen Gründen nichts abgewinnen können.
Kardinal Reinhard Marx formulierte in diesem Zusammenhang (Süddeutsche Zeitung,
30.04.18, S. 8): "Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen
wird, hat man es nicht verstanden. Dann würde das Kreuz im Namen des
Staates enteignet. … (Der Staat) kann und muss dafür sorgen, dass sich
religiöse Überzeugungen artikulieren können."
Der Staat kann und muss aber auch dafür sorgen, dass sich
nicht-religiöse und nicht-christliche Überzeugungen artikulieren können,
dass agnostische oder atheistische, dass nicht-kirchliche Positionen
das gleiche Recht auf Artikulierung haben wie religiöse. Diesem
Grundsatz widerspricht die Anordnung des bayerischen Kabinetts.
Am 14. Oktober werden in Bayern Landtagswahlen stattfinden. Die
Söder-CSU bangt um ihre absolute Mehrheit im Maximilianeum und um die
Lufthoheit über den bayerischen Stammtischen, die von der AfD aktuell
gefährdet wird. Daher gilt es, die AfD rechts zu überholen, ihr die
Wähler abzujagen, die, so wird vermutet, früher CSU gewählt haben. Das
ist das gute Recht von Markus Söder und der CSU. Der "Kreuz-Zug" Söders,
ausgetragen letztendlich auf dem Rücken von allen Nicht-Christen, egal
ob anders- oder nichtgläubig, geht über das hinaus, was in einem
religiös-weltanschaulich neutralen Staat gestattet ist, oder sollte man
besser sagen: gestattet sein sollte. Bayern scheint mit Söder auf dem
Weg zu einem Gottesstaat zu sein – Grundgesetz hin oder her. Und das
Kreuz wird zum Parteilogo der CSU.
Anmerkung atheisten-info:
Aktuell liegt die
CSU bei Wahlumfragen bei 42 %, 2013 erhielt die Partei 47,7 %. Die SPD ist
auch in Bayern im Verfall, im Bund liegt sie mit 16,5 % zurzeit nur um ein Prozent
vor der AfD, in Bayern bei 13 % (2013: 20,6 %). Die Alternative für
Deutschland liegt ebenfalls bei 13 %, die Grünen hatten bei der vorigen
Wahl 8,6 % und liegen aktuell umfragemäßig bei 12 %, die "Freien
Wähler Bayern" hatten 9 % und liegen jetzt bei 7 %, für die FDP
sprachen sich 5 % aus (2013: 3.3 %), für die Linke nur 2 % (2,1%). Der
bayrische Landtag setzt sich jetzt so zusammen: CSU: 101 Mandate, SPD:
42, Grüne: 18, FW: 19, rund 14 % der Stimmen erbrachten 2013 keine Sitze
im Landtag, die CSU erreichte dadurch eine absolute Mehrheit, weil 47,7 % von
86 % wirksamen Stimmen ergab gut 55 % und eben 101 von 180 Sitzen.
Wenn
man die Umfrageprozente (einschließlich der 6 % "Sonstigen")
jetzt hochrechnet, wären die 42 CSU-Umfrageprozent statt 55 nur noch knapp
46 wirksame Prozent und statt der 101 Mandate gäbe es nur noch 83 Sitze.
Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass mit dem Kreuz in allen Ämtern
die AfD so viele Stimmen verliert, dass diese Gruppierung nicht in den Landtag
einzieht, weil die AfD-Wähler ja nicht unbedingt tiefchristliche Leute
sind, die deswegen der CSU zuströmen. Die Tiefchristlichen in Bayern wählen
ja sowieso die CSU! Somit könnte diese christliche Markierung des amtlichen
Bayern viel eher Stimmen kosten als welche bringen! Genauso wie 2016 in
Österreich der FPÖ-Kandidat Hofer bei der Bundespräsidenten-Stichwahl
mit seinem Plakatslogan "so wahr mir Gott helfe", ÖVP-Wähler
nicht gewonnen, sondern vertrieben hat! Die CSU fischt aus dem CSU-skeptischen
Wählermarkt mittels Amtsverchristlicherung auch keine Stimmen!