Die Union hat mit ihrem asylpolitischen Schwenk von September 2015 die
Weichen für den eigenen Abstieg gestellt. Absturz in den Umfragen, Mitgliederverluste,
die reale Möglichkeit einer Spaltung – es drängen sich Parallelen
zur SPD auf.
"Man kann, ohne sich dem höchsten, schmachvollsten
Vorwurf auszusetzen, seine Klienten nicht verlassen."
Das sagte
Gaius Julius Caesar in seiner Rede "Für die Bithynier" vor bald
2.100 Jahren. Man sollte es mit der Suche nach Parallelen zwischen der späten
Römischen und der späten Bundesrepublik nicht übertreiben, aber
dieses Caesar-Zitat sollten sich die sogenannten Volksparteien dieses Landes
hinter die Ohren schreiben. Das heißt, sie hätten es tun sollen,
als es noch nicht zu spät war.
Die Union von CDU/CSU hat mit
ihrem asylpolitischen Schwenk vom September 2015 – der Grenzöffnung für
Flüchtlinge, die einen Massenzustrom zur Folge hatte – die jahrzehntelange
Position der Partei zu Asyl und Einwanderung praktisch abgeräumt. Auch
wenn heute sowohl CSU als auch CDU längst wieder auf die Zuwanderungsbegrenzung
setzen, hat dieser Schwenk für die Union existenzielle Folgen.
Eine
große Zahl an Mitgliedern und Anhängern hat sich mit dieser Abkehr
von einer jahrzehntelangen Kernposition ihrer Partei nicht abfinden können
und ist zur AfD abgewandert. Auch eine Spaltung von CDU und CSU ist nicht vom
Tisch und auf mittlere Sicht nicht unwahrscheinlich. In Umfragen rutscht die
Union unter 30 Prozent, sie läuft Gefahr, ihre Stellung als Volkspartei
zu verlieren.
Mehr
zum Thema - Partei-Dossier zur Union (CDU/CSU)
All das erinnert an
die andere deutsche Volkspartei, ehemalige Volkspartei, möchte man sagen:
die SPD. Diese schwenkte mit ihrer sogenannten "Agenda 2010" in den
Jahren nach 2003 auf eine strikt wirtschaftsfreundliche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
um und schaffte mit Hartz IV ein Instrument, das für einen großen
Teil der Armut und Abstiegsangst im heutigen Deutschland verantwortlich ist.
Die
Folgen sind bekannt: Die Partei verlor an Zustimmung, an Mitgliedern, ein Teil
des linken Flügels spaltete sich ab, um mit der PDS zur Linkspartei zu
fusionieren. In Umfragen liegt die Partei heute zum Teil hinter der AfD (Anmerkung
atheisten-info: bei den aktuellen Umfragen bewegt sich die AfD zwischen 15 und
17,5%, die SPD liegt 17 bis 19%, bei der BTW 2017 hatte man 20,5 %, 2013 sind
es 25,7 % gewesen, 2003 vor der neoliberalen Entfaltung waren es noch 38,5 %).
Die
Fälle Union und SPD weisen erstaunliche Parallelen auf: Beide räumen
zentrale programmatische Positionen, verlassen, um Caesars Worte zu gebrauchen,
ihre Klienten, um in Richtung einer vermeintlichen gesellschaftlichen Mitte
zu schwenken. Tatsächlich dürfte diese Mitte eine Illusion sein,
es handelt sich eher um eine Art elitären und medialen Mainstream, der
als Mitte oder neue Mitte verkauft wird.
Auch die Folgen sind für
beide Parteien gleich: Wegbrechen der Basis, Spaltung, Bedeutungsverlust.
Eine weitere Parallele ist die, dass beide Parteien die jeweilige Politik (Asyl
bzw. Agenda 2010) mit Sicherheit abgelehnt und verhindert hätten, wenn
sie sich in der Opposition befunden hätten. Grenzöffnung und Sozialstaatsabbau
konnten nur von den Parteien durchgeführt werden, in deren politischen
Programmen eigentlich das Gegenteil dieser Maßnahmen gefordert wurde.
Man
kann also zu dem Schluss kommen, dass beide Parteien ihre Tradition und ihre
Basis verraten und sich den Niedergang redlich verdient haben. Doch es ist
fraglich, ob AfD und Linke, gewissermaßen die programmatischen Erben der
aufgegebenen Positionen, wirkliche Alternativen sein können. Zum einen,
weil sie ihre eigenen Sollbruchstellen haben, zum anderen, weil politische Parteien
insgesamt zunehmend als leere Hüllen erscheinen, die ihre Rolle bei der
politischen Willensbildung nicht mehr wirklich ausfüllen können. Nur
ist auch nicht zu sehen, wer das sonst leisten könnte. Und hier haben
wir vielleicht doch eine Parallele zur Römischen Republik. Keine sehr ermutigende.
Mehr zum Thema - Ausgemerkelt: Wie die Kanzlerin von ihrer Flüchtlingspolitik eingeholt wird