
Trifft Putins Goldkeule ...
...die Schwachstelle der Dollar-Dominanz?
Warum der Westen so giftig auf Putins Goldankäufe reagiert,
könnte eine alte und vielen inzwischen lästig gewordene Gandhi-Weisheit zeigen:
"Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie
dich und dann gewinnst du." Dieses Sprichwort verdeutlicht, wie ein
mächtiges System mit denen umgeht, die es am Ende zerlegen werden.
Dieses abgedroschene Zitat beschreibt eingängig,
was unsere westlichen Opponenten von dem Vorhaben halten, die Weltwirtschaft
vom US-Dollar abzukoppeln und ein alternatives Finanzsystem aufzubauen, wie es
China, Russland und die EU beabsichtigen.
Erst wurden alle vorbereitenden Schritte einfach ignoriert
(die Euro-Einführung etwa war so eine Vorbereitung eines Dollar-Konkurrenten).
Jede Diskussion über den Abbau oder eine radikale Reform des Dollar-Systems wurde
erbarmungslos an den Rand gedrängt, ganz nach der Devise: "So etwas kann
es nicht geben, weil es so etwas niemals geben kann."
Es folgte die Etappe des zynischen Gelächters. Die haben wir
relativ schnell hinter uns gebracht, in den Jahren 2014 bis 2017. In
dieser Zeit genügte den US-Journalisten und ihren EU-Kollegen die Tatsache,
dass westliche Sanktionen auf Widerstand stoßen, als Anlass für Häme und
Gespött.
Dass Russland Widerstand gegen die Sanktionen leistet, wurde
fast schon als Beleg für die Rückständigkeit der russischen Welt hingestellt,
die es einfach nicht glauben wollte, dass man Russland angeblich jederzeit vom
Dollar-System abschalten könne, wonach es "einfach krepiert, die Krim
zurückgibt und auf Moskaus Straßen Abrams-Panzer rollen".
Das Lachen ist 2017 schnell vergangen, als US-Finanzminister
Steven Mnuchin allen russlandfeindlichen Senatoren und Kongressabgeordneten frank und frei erklärte,
die Vereinigten Staaten könnten keine weiteren Sanktionen gegen Russland
verhängen - aus Angst, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Finanzfirmen zu untergraben
und die Weltfinanzmärkte zu destabilisieren.
Dieser Wandel, als Russland sich in den Augen der
US-Elite von einer höchstens regionalbedeutsamen "Zapfsäule" zu einem
Staat entwickelte, den man nicht einmal mit Sanktionen gefahrlos schlagen
konnte - dieser Wandel vollzog sich unsichtbar, doch sind dessen Auswirkungen
deshalb nicht weniger beachtlich.
Eine überaus erheiternde Folge ist die: Statt ihre Drohung
endlich wahrzumachen, Russland aus dem Dollar-System zu verbannen und es vom
SWIFT-Zahlungsverkehr auszuschließen, ist die US-Regierung nunmehr gezwungen,
sich gefährlich klingende, stark symbolische und im Grunde nutzlose
Anti-Russland-Maßnahmen auszudenken - etwa das Verbot "der Vergabe von
US-Staatskrediten" und überhaupt jeder Hilfe an Russland.
1999 wäre so etwas vielleicht wirklich wirksam gewesen, als
die russische Führung zum Bittsteller des Weißen Hauses geworden war. Aber
heute, in einer Zeit, in der die russischen Agrokonzerne die
US-amerikanischen Konkurrenten auf deren traditionellen Märkten bedrängen,
zieht das sicherlich nicht.
Jetzt kommen wir auf die Etappe zu, in der der
Widerstand gegen die Entdollarisierung sich stark intensivieren wird. Allein
die Möglichkeit der Entkopplung des Welthandels vom US-Dollar wird als
existentielle Bedrohung aufgefasst werden. Das ist schon deutlich ablesbar an der heftigen Reaktion
amerikanischer und europäischer Medien auf die explosionsartige Zunahme der
russischen Goldreserven, die auf (für die Medien) wundersame Weise mit der
Kürzung der Ankäufe US-amerikanischer Staatsanleihen zusammengefallen ist.
Mit dem russischen Gold allein sind die medialen Wallungen
jedoch nicht zu erklären. Vielmehr ist es so, dass Russland wie eine Lokomotive
ein Gold-Revival hinter sich herzieht: Die russische und die chinesische Zentralbank
stocken ihre Goldvorräte auf, während Länder wie Deutschland und Holland die
Rückführung ihrer Goldreserven aus New York und London vorantreiben.
Währenddessen verspüren die traditionellen Handelsplätze,
die den Goldmarkt seit Jahrhunderten bestimmen - wiederum London und New York -
inzwischen gewissen Druck aus Asien. Allen Anzeichen nach wird dort eine
Alternativplattform vorbereitet, die als System aber noch nicht vollends
Gestalt angenommen hat.
Etwas Funktionsfähiges kann auf dieser Plattform aber durchaus
entstehen, ein Mix sozusagen aus Nationalwährungen und Gold, dieser einzig
universellen Währung, die ganze Jahrhunderte überdauert hat, die nicht
entwertet werden und von deren Nutzung man auch aus politischen Gründen
niemanden ausschließen kann.
Wer das gegenwärtige US-Finanzsystem um jeden Preis
verteidigen will, der bewertet das Gold freilich anders: "nutzloses Metall",
"Überbleibsel aus Barbarenzeiten", "wertloser Stoff, der keinen Profit bringt"
- so bezeichnen diejenigen das Gold, für die es kein zuverlässigeres
Finanzinstrument gibt als ein Schatzpapier der US-Treasury.
Für die besteht das Problem darin, dass sich inzwischen
gezeigt hat: Ab einem bestimmten Moment wird die Goldquantität in Qualität
umgewandelt. Das heißt, ein Land mit großem Goldvorrat kann selbst den größten anzunehmenden
Finanzschlag überstehen: ein Verbot der
Abrechnung und Finanzierung in US-Dollar.
Der Wirtschaftswissenschaftler und Forbes-Kolumnist Steve Hanke erlaubt sich
diesbezüglich einen Blick in die nähere Zukunft. Er hat die Gründung
einer "Goldallianz" von Russland, dem Iran und der Türkei
prognostiziert, die zum Schutz vor US-Sanktionen den Dollar durch Gold
ersetzten. Hanke verwies in diesem Zusammenhang auf den
Nobelpreisträger Robert Mundell, der der festen Ansicht war, dass das Gold eine
maßgebliche Rolle im Weltfinanzsystem des 21. Jahrhunderts spielen werde.
Und jetzt das Wichtigste: Gold ist der wunde Punkt der
Vereinigten Staaten. Denn das Edelmetall war die Weltreservewährung, bis der
Dollar diese Stellung usurpierte.
Worauf die Dollar-Dominanz heute aufbaut, sind die Folgen
des Zweiten Weltkrieges, die US-Flugzeugträger und die Fähigkeit der
US-Führung, in jedem Land der Welt eine Farbrevolution anzustoßen, sobald
dort auch nur die Idee aufkommt, auf den Dollar verzichten zu wollen.
Die Amerikaner begründen die Übermacht des Greenbacks indes
damit, dass sie über die weltgrößten Goldvorräte verfügen. Laut offiziellen
Angaben belaufen sich die amerikanischen Goldreserven auf über 8.000 Tonnen -
eine Menge, die jeden Konkurrenten weit zurücklässt.
Doch es gibt da ein Aber.
Es gibt niemanden, der diesen riesigen Goldvorrat jemals
in Augenschein genommen und einer unabhängigen Zählung unterzogen hätte.
Dies gelingt nicht einmal den US-Abgeordneten, die immer wieder versuchen, die
Unversehrtheit der US-Schatzkammer zu überprüfen. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine schlichte
Tatsache. Selbst die "Financial Times", das Kampfblatt
der Londoner Banker, schrieb 2017, die US-Regierung lasse nicht einmal
amerikanische Rechnungsprüfer an die Goldvorräte heran. Im gleichen Atemzug versuchte die Zeitschrift die Leser zu
beruhigen: Selbst wenn das US-Gold eine Fiktion wäre, sei das doch überhaupt
nicht von Bedeutung.
Von Bedeutung wäre das allemal. Wenn sich eine kritische
Masse derer gefunden hat, die den Dollar lieber meiden möchten (von Russland
über China bis zur EU, wo bereits eigene Alternativen zu SWIFT und IWF diskutiert werden), dann wird die zentrale
Frage lauten, wer wie viel Gold tatsächlich hat.
Von der Antwort auf diese Frage wird das Kräfteverhältnis
in der Post-Dollar-Ära abhängen. Also werden die USA auspacken und zeigen
müssen, ob in ihrem Goldlager in Fort Knox wirklich Schätze lagern
oder ob sie die Dollar-Dominanz die ganze Zeit über nur mit Flugzeugträgern und
banalen Lügen gesichert haben.
Man wird jedenfalls den Verdacht nicht los, dass die
US-Regierung diesen Moment kommen sieht und eben deshalb derart allergisch auf
Wladimir Putins Goldankäufe reagiert, während westliche Medien alle Meldungen
über die Aufstockung russischer Goldreserven penibel mitverfolgen.