Trifft Putins Goldkeule ...

...die Schwachstelle der Dollar-Dominanz?

Iwan Danilow am 27.8.2018 auf https://de.sputniknews.com

Warum der Westen so giftig auf Putins Goldankäufe reagiert, könnte eine alte und vielen inzwischen lästig gewordene Gandhi-Weisheit zeigen: "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." Dieses Sprichwort verdeutlicht, wie ein mächtiges System mit denen umgeht, die es am Ende zerlegen werden.

Dieses abgedroschene Zitat beschreibt eingängig, was unsere westlichen Opponenten von dem Vorhaben halten, die Weltwirtschaft vom US-Dollar abzukoppeln und ein alternatives Finanzsystem aufzubauen, wie es China, Russland und die EU beabsichtigen.

Erst wurden alle vorbereitenden Schritte einfach ignoriert (die Euro-Einführung etwa war so eine Vorbereitung eines Dollar-Konkurrenten). Jede Diskussion über den Abbau oder eine radikale Reform des Dollar-Systems wurde erbarmungslos an den Rand gedrängt, ganz nach der Devise: "So etwas kann es nicht geben, weil es so etwas niemals geben kann."

Es folgte die Etappe des zynischen Gelächters. Die haben wir relativ schnell hinter uns gebracht, in den Jahren 2014 bis 2017. In dieser Zeit genügte den US-Journalisten und ihren EU-Kollegen die Tatsache, dass westliche Sanktionen auf Widerstand stoßen, als Anlass für Häme und Gespött.

Dass Russland Widerstand gegen die Sanktionen leistet, wurde fast schon als Beleg für die Rückständigkeit der russischen Welt hingestellt, die es einfach nicht glauben wollte, dass man Russland angeblich jederzeit vom Dollar-System abschalten könne, wonach es "einfach krepiert, die Krim zurückgibt und auf Moskaus Straßen Abrams-Panzer rollen".

Das Lachen ist 2017 schnell vergangen, als US-Finanzminister Steven Mnuchin allen russlandfeindlichen Senatoren und Kongressabgeordneten frank und frei erklärte, die Vereinigten Staaten könnten keine weiteren Sanktionen gegen Russland verhängen - aus Angst, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Finanzfirmen zu untergraben und die Weltfinanzmärkte zu destabilisieren.

Dieser Wandel, als Russland sich in den Augen der US-Elite von einer höchstens regionalbedeutsamen "Zapfsäule" zu einem Staat entwickelte, den man nicht einmal mit Sanktionen gefahrlos schlagen konnte - dieser Wandel vollzog sich unsichtbar, doch sind dessen Auswirkungen deshalb nicht weniger beachtlich.

Eine überaus erheiternde Folge ist die: Statt ihre Drohung endlich wahrzumachen, Russland aus dem Dollar-System zu verbannen und es vom SWIFT-Zahlungsverkehr auszuschließen, ist die US-Regierung nunmehr gezwungen, sich gefährlich klingende, stark symbolische und im Grunde nutzlose Anti-Russland-Maßnahmen auszudenken - etwa das Verbot "der Vergabe von US-Staatskrediten" und überhaupt jeder Hilfe an Russland.

1999 wäre so etwas vielleicht wirklich wirksam gewesen, als die russische Führung zum Bittsteller des Weißen Hauses geworden war. Aber heute, in einer Zeit, in der die russischen Agrokonzerne die US-amerikanischen Konkurrenten auf deren traditionellen Märkten bedrängen, zieht das sicherlich nicht.

Jetzt kommen wir auf die Etappe zu, in der der Widerstand gegen die Entdollarisierung sich stark intensivieren wird. Allein die Möglichkeit der Entkopplung des Welthandels vom US-Dollar wird als existentielle Bedrohung aufgefasst werden. Das ist schon deutlich ablesbar an der heftigen Reaktion amerikanischer und europäischer Medien auf die explosionsartige Zunahme der russischen Goldreserven, die auf (für die Medien) wundersame Weise mit der Kürzung der Ankäufe US-amerikanischer Staatsanleihen zusammengefallen ist.

Mit dem russischen Gold allein sind die medialen Wallungen jedoch nicht zu erklären. Vielmehr ist es so, dass Russland wie eine Lokomotive ein Gold-Revival hinter sich herzieht: Die russische und die chinesische Zentralbank stocken ihre Goldvorräte auf, während Länder wie Deutschland und Holland die Rückführung ihrer Goldreserven aus New York und London vorantreiben.

Währenddessen verspüren die traditionellen Handelsplätze, die den Goldmarkt seit Jahrhunderten bestimmen - wiederum London und New York - inzwischen gewissen Druck aus Asien. Allen Anzeichen nach wird dort eine Alternativplattform vorbereitet, die als System aber noch nicht vollends Gestalt angenommen hat.

Etwas Funktionsfähiges kann auf dieser Plattform aber durchaus entstehen, ein Mix sozusagen aus Nationalwährungen und Gold, dieser einzig universellen Währung, die ganze Jahrhunderte überdauert hat, die nicht entwertet werden und von deren Nutzung man auch aus politischen Gründen niemanden ausschließen kann.

Wer das gegenwärtige US-Finanzsystem um jeden Preis verteidigen will, der bewertet das Gold freilich anders: "nutzloses Metall", "Überbleibsel aus Barbarenzeiten", "wertloser Stoff, der keinen Profit bringt" - so bezeichnen diejenigen das Gold, für die es kein zuverlässigeres Finanzinstrument gibt als ein Schatzpapier der US-Treasury.

Für die besteht das Problem darin, dass sich inzwischen gezeigt hat: Ab einem bestimmten Moment wird die Goldquantität in Qualität umgewandelt. Das heißt, ein Land mit großem Goldvorrat kann selbst den größten anzunehmenden Finanzschlag überstehen: ein Verbot der Abrechnung und Finanzierung in US-Dollar.

Der Wirtschaftswissenschaftler und Forbes-Kolumnist Steve Hanke erlaubt sich diesbezüglich einen Blick in die nähere Zukunft.  Er hat die Gründung einer "Goldallianz" von Russland, dem Iran und der Türkei prognostiziert, die zum Schutz vor US-Sanktionen den Dollar durch Gold ersetzten. Hanke verwies in diesem Zusammenhang auf den Nobelpreisträger Robert Mundell, der der festen Ansicht war, dass das Gold eine maßgebliche Rolle im Weltfinanzsystem des 21. Jahrhunderts spielen werde.

Und jetzt das Wichtigste: Gold ist der wunde Punkt der Vereinigten Staaten. Denn das Edelmetall war die Weltreservewährung, bis der Dollar diese Stellung usurpierte.

Worauf die Dollar-Dominanz heute aufbaut, sind die Folgen des Zweiten Weltkrieges, die US-Flugzeugträger und die Fähigkeit der US-Führung, in jedem Land der Welt eine Farbrevolution anzustoßen, sobald dort auch nur die Idee aufkommt, auf den Dollar verzichten zu wollen.

Die Amerikaner begründen die Übermacht des Greenbacks indes damit, dass sie über die weltgrößten Goldvorräte verfügen. Laut offiziellen Angaben belaufen sich die amerikanischen Goldreserven auf über 8.000 Tonnen - eine Menge, die jeden Konkurrenten weit zurücklässt.

Doch es gibt da ein Aber. Es gibt niemanden, der diesen riesigen Goldvorrat jemals in Augenschein genommen und einer unabhängigen Zählung unterzogen hätte. Dies gelingt nicht einmal den US-Abgeordneten, die immer wieder versuchen, die Unversehrtheit der US-Schatzkammer zu überprüfen. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine schlichte Tatsache. Selbst die "Financial Times", das Kampfblatt der Londoner Banker, schrieb 2017, die US-Regierung lasse nicht einmal amerikanische Rechnungsprüfer an die Goldvorräte heran. Im gleichen Atemzug versuchte die Zeitschrift die Leser zu beruhigen: Selbst wenn das US-Gold eine Fiktion wäre, sei das doch überhaupt nicht von Bedeutung.

Von Bedeutung wäre das allemal. Wenn sich eine kritische Masse derer gefunden hat, die den Dollar lieber meiden möchten (von Russland über China bis zur EU, wo bereits eigene Alternativen zu SWIFT und IWF diskutiert werden), dann wird die zentrale Frage lauten, wer wie viel Gold tatsächlich hat.

Von der Antwort auf diese Frage wird das Kräfteverhältnis in der Post-Dollar-Ära abhängen. Also werden die USA auspacken und zeigen müssen, ob in ihrem Goldlager in Fort Knox wirklich Schätze lagern oder ob sie die Dollar-Dominanz die ganze Zeit über nur mit Flugzeugträgern und banalen Lügen gesichert haben.

Man wird jedenfalls den Verdacht nicht los, dass die US-Regierung diesen Moment kommen sieht und eben deshalb derart allergisch auf Wladimir Putins Goldankäufe reagiert, während westliche Medien alle Meldungen über die Aufstockung russischer Goldreserven penibel mitverfolgen.