Laut CNN hat das US-Militärkommando bereits eine Liste von Objekten
in Syrien erstellt, die nach der Beschuldigung eines erneuten Chemiewaffeneinsatzes
gegen Zivilisten durch die Armee des Präsidenten Baschar al-Assad mit Bomben
angegriffen werden sollen.
In diesem Fall wird der wahre Sachverhalt
absolut keine Rolle spielen: Bombenangriffe werden unter allen Umständen
ausgeführt.
Mehr noch: Die Falken in Washington werden die jüngsten Informationen über
Einzelheiten der Vorbereitung von Provokationen um die angebliche Giftstoffanwendung
einfach ignorieren. Für sie geht es eigentlich gar nicht um Assad
und den Syrien-Konflikt. Syrien wird bombardiert, weil das aus innenpolitischer
Sicht nötig ist. Die Bombenangriffe wird es nur in einem Fall nicht geben
- und zwar wenn irgendein Thema aufkommt, das die "Syrien-Frage" für
eine längere Zeit von der Tagesordnung verdrängen könnte.
Die
Veröffentlichung der Informationen über Pläne zu Bombenangriffen
ist im Grunde eine Art Erpressung des US-Präsidenten Donald Trump, der
in eine sehr heikle Situation geraten ist. Während die "Weißhelme"
unter Mitwirkung der britischen Geheimdienste eine neue Provokation in Syrien
organisieren, hat er keine Möglichkeit, diesen Schlag und damit eine weitere
Eskalation des Konflikts zu verhindern, indem er sagen würde: "Unser
Generalstab hat es sich anders überlegt und beschlossen, dass dies besser
nicht gemacht wird."
Nach dem CNN-Bericht
würde der Verzicht auf die Bombardierung Damaskus‘ nach dem inszenierten
(inzwischen ist das offensichtlich) Chemiewaffenangriff dazu führen, dass
Medien und zahlreiche Senatoren und Kongressmitglieder Präsident Trump
vorwerfen, er würde dem Kreml-Chef Wladimir Putin gehorchen. Das wäre
für Trump kein allzu großes Problem. Aber die Syrien-Krise spitzt
sich in einer Zeit zu, in der der US-Präsident sehr anfällig ist.
In den USA geht inzwischen der Wahlkampf für die am 6. November angesetzten
"Halbzeitwahlen" weiter.
Die Zwischenwahlen sind eine
rein amerikanische Erfindung, die das US-Wahlsystem ganz deutlich charakterisiert.
Alle vier Jahre finden Präsidentschaftswahlen statt, aber dazwischen müssen
alle 435 Kongressmitglieder (der alle zwei Jahre erneuert wird), etwa 30 Prozent
aller Senatoren sowie die meisten Gouverneure der Bundesstaaten neu gewählt
werden. Für Trump steht dabei seine politische Karriere und möglicherweise
sogar das ganze Leben seiner Familie auf dem Spiel. Denn im schlimmsten Fall
erhält die Demokratische Partei die Mehrheit sowohl im Kongress als auch
im Senat. Und dann wäre für Trump nicht nur die Amtsenthebung durchaus
realistisch. Darüber hinaus könnten er und seine Familie (vor allem
sein Schwiegersohn Jared Kushner) des Staatsverrats sowie der Absprache mit
Russland beschuldigt werden. Eine Gefängnisstrafe (und schlimmstenfalls
der elektrische Stuhl) wären dann zum Greifen nah.
Die Themen "russische
Einmischung in US-Wahlen" (egal ob in frühere oder in künftige)
und "Staatsverrat des Präsidenten" sind bereits zu den wichtigsten
der Wahlkampagne geworden. Falls sich Trump jetzt weigern sollte, Syrien mit
Bomben zu bewerfen, ist mehr als wahrscheinlich, dass es in amerikanischen Medien
von Bildern von "an Gasvergiftung sterbenden Kindern" wimmeln würde.
Und auch von Vermutungen, dass Putin über Informationen verfügt, die
Trump kompromittieren würden. Denn sonst würde er nie die Idee der
Bestrafung des "blutrünstigen Tyrannen Assad" und der Demonstration
der "amerikanischen Militärmacht" aufgeben. Ein solches Risiko
kann Trump unmöglich eingehen. Deshalb werden höchstwahrscheinlich
bald Bombenangriffe gegen Syrien erfolgen, und zwar demonstrativ. US-Medien
werden sie ausführlich beleuchten und die der syrischen Seite zugefügten
Schäden großreden.
Zum Glück mindert die gnadenlose politische
Logik der Wahlkampagne in den Vereinigten Staaten einigermaßen die Chancen
darauf, dass Washington etwas mehr will als nur seine lokale Demonstration von
Stärke. Um dann zu behaupten, der Feind wäre besiegt und die Gerechtigkeit
wiederhergestellt worden. Einen Versuch zum Machtwechsel in Damaskus zu verkünden
und die Bereitschaft zu einer richtigen Konfrontation mit Russland zu zeigen,
nur um Assad zu entmachten - das wäre das beste Rezept für eine Niederlage
bei den bevorstehenden "Halbzeitwahlen". Denn der "Kern"
der Wähler Präsident Trumps würde solche Erklärungen als
Beweis für seinen Verrat betrachten. Und dabei ist die Unterstützung
eben dieses "Kerns" - der Wähler, die Trump ins Feuer und ins
Wasser folgen würden, seine einzige Absicherung gegen Amtsenthebung.
Angesichts
dessen lässt sich vorhersagen, dass die Amerikaner Damaskus tatsächlich
mit Bomben bewerfen werden, ohne aber zu versuchen, eine Wende im syrischen
Bürgerkrieg voranzubringen - den die russisch-syrische Koalition so gut
wie gewonnen hat. Und dass die Amerikaner es nicht wagen, ist ein Verdienst
der russischen Armee und der politischen Führung Russlands, die in den
letzten Jahren große Mittel in die Modernisierung der Streitkräfte
und insbesondere in die Entwicklung der so genannten "nuklearen Triade"
investierte.
Das einzige, was Washington in Syrien noch bekommen kann,
ist "moralische Genugtuung" - und Anlass darüber zu reden, dass
sie in Syrien gewonnen hätten, wenn sie das wirklich gewollt hätten.
Man kann ganz sicher sein: In Hollywood werden in einigen Jahren etliche Blockbuster
über die heldenhaften Siege der US-Spezialkräfte gegen russische,
iranische und syrische "Wilde mit Kalaschnikows" in Syrien gedreht.
Bereits in den 2020er-Jahren werden die meisten Amerikaner glauben, dass den
Syrien-Krieg ausgerechnet die USA gewonnen hätten - genauso wie die meisten
Amerikaner glauben, dass ausgerechnet die USA die Sieger im Vietnam-Krieg gewesen
seien.
Viel wichtiger ist allerdings, dass der wahre Sieg - und nicht
im Kino - schon nahe ist. Syrien wird ihn erringen. Und dieser ist
auch für Russland günstig. Denn durch seine Erfolge in Syrien ist
es Russland gelungen, den Bau einer Gaspipeline aus Katar nach Europa zu verhindern.
Zudem war das eine wichtige Werbekampagne für russische Waffen im Nahen
Osten. Und schließlich konnte Moskau den wichtigen regionalen Akteuren
wie Saudi-Arabien beweisen, dass es für sie sehr nützlich ist, mit
dem Kreml zu verhandeln und Vereinbarungen zu treffen - beispielsweise über
die gemeinsame Kontrolle über den globalen Ölmarkt. Und vor diesem
Hintergrund ist die PR-Aktion der Amerikaner, in deren Mittelpunkt die Bombenangriffe
gegen Damaskus stehen, nur eine unangenehme Lappalie, die aber die Situation
nicht ändern kann.