Hilflose SPD im Fall nach unten

Hasan Posdnjakow am 13.11.2018 auf https://deutsch.rt.com/:

SPD verabschiedet sich wieder von Agenda 2010 –
aber keiner nimmt sie ernst

Es ist bereits das gefühlt zehnte Mal: Nach einem Umfragetief erklärt die SPD-Parteispitze, man müsse endlich die Agenda 2010, Hartz IV und all die bösen Geister der Vergangenheit zurücklassen. Doch mittlerweile nimmt keiner der SPD das ab – aus gutem Grund.

Seit dem Rücktritt Gerhard Schröders vor 14 Jahren hat sich innerhalb der Führungsetage der SPD ein merkwürdiger Ritus entwickelt. Immer dann, wenn es in den Umfragen ganz, ganz schlimm aussieht für die Sozialdemokraten, wenn sämtliche Alarmglocken im Willy-Brandt-Haus läuten und August Bebel anfängt, sich wild in seinem Grab umzudrehen, dann versammeln sich die obersten Genossinnen und Genossen zu einer nächtlichen Krisensitzung und bestimmen einen Beauftragten aus ihrer Mitte, dem sie die Pflicht auferlegen, vor der Öffentlichkeit eine vermeintliche Zauberformel zu sprechen, von der die SPD-Spitze glaubt, sie würde die Partei im Nu von sämtlichen Umfrage-Wehwehchen kurieren.

Dieses Mal fiel die Wahl auf Andrea Nahles, seit April dieses Jahres die Vorsitzende der altehrwürdigen Partei, die vor Kurzem gnädigst ihrem Wahlvolke die frohe Botschaft verkündete: "Wir werden Hartz IV hinter uns lassen!" Sie fuhr fort: "Wir brauchen eine große, umfassende, tiefgreifende Sozialstaatsreform – und nicht nur viele kleine."

Es ist immer schön, wenn sich die SPD etwas Gutes vornimmt. Dann weiß man nämlich zur Abwechslung mal genau, was die SPD nicht machen wird.

Die Anzahl der Forderungen aus der SPD, einschließlich ihrer ersten Reihe, die Hartz-IV-Reformen und die Agenda 2010 zurückzunehmen, ist so hoch, sie lässt sich gar nicht mehr beziffern. Mittlerweile hat sogar der leichtgläubigste Alt-SPD-Wähler begriffen, dass soziale Verbesserungen für die heutige SPD nur eine Art Sozial-Placebo sind. Im Gegensatz zur Bewegung um den ehrlich um soziale Belange bemühten Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn in Großbritannien nimmt keiner den abgehobenen, grünliberalen Akademiker-Eliten und karriere- und pöstchengeilen Profi-Politikern, die in der SPD den Ton angeben, ab, sie wollten sich um die Sorgen und Nöte einfacher, arbeitender Menschen kümmern.

Um vorherzusagen, wie die x-te soziale Wende der SPD aussehen wird, muss man nicht Nostradamus heißen. Bis kurz nach den Wahlen werden uns die Genossen den Himmel auf Erden versprechen und zugleich tagtäglich in den medialen Beichtzimmern bei Anne Will, Frank Plasberg und Co. sich demütigst um Verzeihung für ihre Sünden der Vergangenheit bitten. Sie wären wohl sogar bereit, wäre es nicht gesetzlich verboten und moralisch unangemessen, Gerhard Schröder als Oberverantwortlichen für die Agenda 2010 persönlich dem Wählergott als Menschenopfer auf dem Umfragealtar darzubieten.

Doch schon wenige Sekunden nachdem die letzten Urnen geschlossen wurden, verwandelt sich der "Wähler als Gott" zum "Wähler als Maus". Vorher noch Objekt der Begierde aller Politiker, ist er nunmehr wieder passives Opfer diverser Intrigen und schattenhaften Machenschaften.

Wie eine unaufhaltsame Seuche ergreift plötzlich alle SPD-Politiker eine mysteriöse Amnesie:

Alle Versprechungen – vergessen! Soziale Verbesserungen? Nicht möglich! Zu teuer! Falscher Zeitpunkt! Der Koalitionspartner spielt nicht mit! Verfassungsbedenken! Der Russe kommt, lieber Geld in die Rüstung! Was sagst du da, wir hätten eine Mehrheit zusammen mit den Grünen und Linken? Ja, aber den Linken kann man doch nicht trauen, da soll es doch tatsächlich noch den einen oder anderen Politiker geben, der das meint und glaubt, was er sagt! Mit solchen Typen können wir uns nicht abgeben! Dann doch lieber mit der CDU zusammen. Dann behaupten wir einfach: "Wir konnten uns in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen."

Eher wird sich das Wahlvolk endgültig von der SPD verabschieden, als dass sich die SPD von ihrer opportunistischen Herumlaviererei verabschiedet.

Soweit RT -
hier der Durchschnitt der BRD-Umfragen vom November 2018:

 

Zum Vergleich dieselbe Darstellung vom 20. 10.:


Man sieht also: Für die SPD wird es immer schlechter,
vor gut drei Wochen lag man beim Verlust der eigenen Stimmen von 2017 noch bei 26 %, jetzt sind es schon 30,5 %, man verschlechtert sich deutlich schneller als CDU/CSU! Im September lag die SPD mehrheitlich bei 17 %, im August überwiegend bei 18 %, ebenso im Juli, im Juni bei 18 bis 20 %, im Mai ähnlich, man kann also sagen, ein halbes Jahr bringt ein Minus von rund fünf Prozent! Tüchtige Leistung!

Dabei wäre die Lösung gar nicht so kompliziert! Man müsste sich endlich um den Bereich kümmern, für den die Partei einstens gegründet wurde, also nicht tun, als wollte sich die Partei um die Sorgen und Nöte einfacher, arbeitender Menschen kümmern, sondern es wirklich machen! Mit dem Einbekenntnis, dass der SPD-Kanzler Gerhard Schröder ein konsequenter Neoliberaler und damit ein Feind der arbeitenden Menschen gewesen war und jetzt als Wirtschaftslobbyist tätig ist. Und dann müsste die SPD anfangen, Widerstand gegen den neoliberalen Ausbeuterklassenkampf der Konzerne und der Finanzwirtschaft gegen die arbeitende Klasse zu leisten! Da käme man wohl bald wieder über zwanzig Prozent und wenn man konsequent bliebe, käme man vielleicht sogar wieder zurück zu über 40 % wie im Zeitalter des Willi Brandt...