Nachdem sie sich im April noch dagegen ausgesprochen hatte, fordert SPD-Chefin
Nahles nun die Abschaffung von Hartz IV. Ob es der SPD gelingt, die Wähler
wieder von sich zu überzeugen, ist fraglich. Die Zerrissenheit der Partei
ist Teil ihrer Historie. Der offensichtliche innere Konflikt, der die SPD
seit einigen Jahren immer offensichtlicher zeichnet, ist kein neues Phänomen,
sondern Teil der DNA der ältesten Partei Deutschlands.
Schon vor
100 Jahren wollte sich die Führungsriege der Genossen vermeintlich nicht
zwischen Revolution und dem Festhalten an der alten Gesellschaftsordnung entscheiden,
sondern verstand sich als "Reformrevolutionäre". Der Anspruch:
Das politische und gesellschaftliche System von innen revolutionieren. Das Ergebnis
war unter anderem die blutige Niederschlagung des linksgerichteten Januaraufstands
im Jahr 1919.
Als Partei auf allen Hochzeiten tanzen zu wollen, überfordert
heute nicht nur die Wählerschaft, sondern zunehmend auch die Partei selbst.
Die krachenden Wahlniederlagen der letzten Monate sind Ausdruck davon, dass
sich die Parteiführung durch den Spagat zwischen Revolution und Mainstream
in eine bedrohliche Existenzkrise manövriert hat. Ob der nun propagierte
Abschied von der Agenda 2010 die Wähler von der Glaubwürdigkeit der
Sozialdemokraten überzeugt, darf zumindest bezweifelt werden.