Das Vakuum und der Urknall "für Alle"

Publiziert am 5. Juni 2019 von Günter Dedie auf https://www.zum-muendigen-buerger.de

Grafik zum Urknall - Quelle Pixabay
Sie werden sich vielleicht fragen, was das Vakuum mit unseren kollektiven Prozessen zu tun hat? Das Vakuum ist doch der völlig leere Raum, was kann da "kollektiv" sein? So einfach ist aber nicht. Betrachten wir als Beispiel den leeren Raum im Weltall etwas genauer, weitab von den nächsten Sternen oder anderen materiellen Körpern. Er ist nicht leer, sondern wird im Mittel von ca. 400 Photonen (Licht der Sterne und Reststrahlung des Urknalls) und ca. 500 Neutrinos pro cm3 durchquert, und auch von anderen Teilchen. Außerdem ist er von schwachen Feldern durchzogen, insbesondere Feldern der Schwerkraft. Wenn man versuchen würde, die Teilchen und Felder durch eine Art massiven Kasten (wegen der alles durchdringenden Neutrinos) auszuschließen, erzeugt man in dem Kasten nur noch viel größere Schwerefelder.

Ergebnis: Das "echte" leere Vakuum ist offenbar eine nicht realisierbare Fiktion; es gibt kein "Nichts" .

Was im Vakuum so alles passieren kann, sollen folgende Beispiele zeigen:
Wenn zwei Photonen hoher Energie im Vakuum zusammenstoßen, können zwei oder mehr Teilchen entstehen, immer paarweise Teilchen und Antiteilchen, z.B. ein Elektron und ein Positron (das nennen die Physiker Paarerzeugung). Aus Energie werden Teilchen!
Die Energie-Zeit-Unbestimmtheit der Quantenphysik erlaubt die kurzzeitige Verletzung der Energie-Masse-Erhaltung, deshalb können im Vakuum sogar von selbstpaarweise Teilchen und Antiteilchen entstehen, die aber äußerst schnell wieder vergehen (durch Paarvernichtung

Ein Antiteilchen kann man sich als fehlendes Teilchen im Vakuum vorstellen, vergleichbar zu einem sog. Loch für ein fehlende Elektron im Valenzband eines Halbleiters.

Die Physiker beschreiben das Vakuum gegenwärtig mit der sog. Quantenfeldtheorie, und zwar etwa folgendermaßen: Das Vakuum verhält sich wie ein See von virtuellen Elementarteilchen und ihren Antiteilchen. Normalerweise sind alle virtuellen Plätze besetzt, so dass Teilchen "von außerhalb" im Vakuum keinen Platz finden. Wenn dem Vakuum aber ausreichend hohe Energie zugeführt wird, oder einfach aufgrund der Unbestimmtheitsrelation, kann spontan eine Paarerzeugung stattfinden. Wie kann das sein?

1. Energie und Zeit bilden ein Paar, für das die Unbestimmtheitsrelation der Quantenphysik gilt

2. Die Energie des Vakuums schwankt ständig mehr oder weniger stark um seine mittlere Energie (sog. Quantenfluktuation). Für eine sehr kurze Zeit kann die Energie dabei so groß sein, dass sie für die spontane Erzeugung eines Paars von Teilchen und Antiteilchen ausrecht.

Warum gerade Teilchen und Antiteilchen? Beide haben eine gleich große Ladung, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen, und die Naturgesetze erfordern, dass das Vakuum bei der Paarerzeugung neutral bleibt.

Daraus folgt nun, dass das Vakuum die Eigenschaften der erzeugten Teilchen "kennen" muss! Wie sollten die Teilchen sonst gebildet werden können? Und auch die dazu gehörigen Felder muss das Vakuum kennen, denn die werden zusammen mit den Teilchen erzeugt. Beispielsweise das elektrische Feld der Ladungen von Elektron und Positron. Das gilt auch für andere Teilchen und Felder, die das Vakuum paarweise erzeugen kann. Mit anderen Worten: Das Vakuum "weiß" wie es Teichen und Felder erzeugen kann; es hat offensichtlich eine "Blaupause" der Naturgesetze "zur Hand" ! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Bei der Paarvernichtung wird das oben genannte Antiteilchen-Loch übrigens wieder aufgefüllt. Die Energie des Vakuums wird bei der Paarerzeugung für eine kurze Zeit um die dafür notwendige Energie erhöht, und bei der Paarvernichtung wieder auf den ursprünglichen Wert erniedrigt. Diese Vorstellungen kann man einerseits durch Messungen (z.B. des sog. Casimir-Effekts) und andererseits durch Rechnungen auf Basis der Quantenfeldtheorie belegen.

"Was dem Vakuum recht ist, ist dem Urknall billig" : In der reinen Energie zu Beginn des (hypothetischen) Urknalls gab es zwar noch keine Teilchen und Felder, aber offensichtlich ebenfalls eine "Blaupause" der Naturgesetze (einschließlich der Quantenphysik) sowie virtuelle Teilchen und Felder wie im Vakuum. Etwa 10-30 Sekunden nach dem Beginn des Urknalls bilden sich aus dieser "intelligenten" Energie spontan im Rahmen eines Phasenübergangs die vier fundamentalen Teilchen u-Quarks, d-Quarks, Elektronen und Neutrinos (vgl. NaWi 2), sowie deren Antiteilchen, in Summe etwa 1080 Stück. (Aus den Quarks entstehen später Protonen und Neutronen.) Wegen der sehr großen Energie beim Urknall konnten auch die relativ "schweren" Quarks der Familien 2 und 3 gebildet werden, für die sehr viel Energie nötig ist. Außerdem entstehen gleichzeitig mit den Teilchen durch Symmetriebrechung aus einer hypothetischen, einheitlichen Urkraft die vier fundamentalen Kräfte Starke Kernkraft, Schwache Kernkraft, Elektromagnetische Kraft und Schwerkraft.

Die aktuelle Theorie zur Wirkung der Schwerkraft lautet folgendermaßen: Die elementaren Teilchen bestehen zwar aus viel Energie, haben aber keine Masse. Die Masse bekommen sie als Folge des sog. Higgs-Feldes. Das Higgs-Feld ist überall im Universum und wirkt auf die Teilchen wie ein spezieller "Honig" , durch den sie sich bewegen müssen. Allerdings mit dem Unterschied, dass der Higgs-"Honig" die gleichförmige Bewegung der Teilchen nicht behindert, sondern nur die Änderungen der Geschwindigkeit der Bewegungen. Wie soll man das verstehen? Betrachten wir das zweite Bewegungsgesetz von Isaac Newton

Kraft  = Masse  mal  Änderung der Geschwindigkeit
so sehen wir, dass die Kraft des zähen Higgs-"Honigs" bei einer Änderung der Geschwindigkeit die Wirkung einer Masse erzeugt.

Weitere Infos finden Sie bei Bedarf in den Büchern:
Die Kraft der Naturgesetze, Günter Dedié, tredition 2015
Das aktuelle kosmologische Weltbild, Josef M. Gassner, Harald Lesch; in Darwin heute, WBG 2014