Tabu Mehrheitsgesellschaft

Wilfried Müller am 11. Juli 2019 auf www.zum-muendigen-buerger.de

Die Neue Züricher Zeitung schreibt oft Sachen, die in deutschen Vorzeigemedien verpönt sind. Ein NZZ-Artikel zum Thema Migration in Deutschland (s.u.) schlägt derzeit hohe Wellen im Netz. Das Thema Mehrheitsgesellschaft findet man auch nur in der NZZ, und nicht etwa in der Zeit oder der SZ (Bild: KeithJJ, pixabay).

In der Welt gibt’s immerhin einen Sekundärartikel, in dem es um unseren Ex-Verfassungsschutzpräsidenten geht. Aber das Thema ist mehr als bloß ein personenbezogener Aufreger. Es geht um Desinformation und Manipulation in den Medien.

Insgesamt gibt es in Deutschland 12% Ausländer und etwa genausoviel Deutsche mit Migrationshintergrund. Das ist viel, Großbritannien hat trotz seiner Einwanderung aus den Kolonien nur 10% Ausländer, Frankreich sogar nur 7%. Man muss sich klarmachen, dass die Prozente auf die Gesamtbevölkerung bezogen sind. Je nach Altersgruppe und nach Ort können die Werte ganz anders ausfallen.

Während die Gruftis in Deutschland fast alles Deutsche sind, sieht es bei den Kindern ganz anders aus. 25% der Kinder in Deutschland werden von Ausländerinnen geboren, und nur 75% von deutschen Frauen. Zusammen mit den Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund geht der Anteil der nicht-bio-deutschen Kinder gegen die Hälfte.

Je nach Ort können die Verhältnisse nochmal anders aussehen - und damit ist das Thema bei dem NZZ-Artikel angelangt. In Frankfurt, Offenbach, Heilbronn, Sindelfingen und anderen Städten sind Deutsche ohne Migrationshintergrund nicht mehr in der Mehrheit. Sie sind zwar noch die größte Gruppe, aber nicht die Mehrheitsgesellschaft.

In Frankfurt weist das statistische Jahrbuch 46,9% Deutsche ohne Migrationshintergrund aus, gegenüber 53,1% Deutschen mit Migrationshintergrund und Ausländern,
Offenbach hat nur noch 37% Deutsche ohne Migrationshintergrund, demnach 63% Deutsche mit Migrationshintergrund plus Ausländer,
in Nürnberg sind es 44,6% Deutsche mit Migrationshintergrund plus Ausländer,
in Stuttgart ist die Zahl 44,1% oder laut Pressestelle der baden-württembergischen Landeshauptstadt 46%, wobei die unter 18-jährigen Stuttgarter zu fast 60% einen Migrationshintergrund haben,
in München 43,2% laut Integrationsbericht,
und in Düsseldorf 40,2%.

Mehrheiten von Menschen mit Migrationshintergrund kennt man in amerikanischen Großstädten schon lange. Auch in einigen europäischen Städten gibt es keine Mehrheitsgesellschaft der Alteingesessenen mehr. Beispiele London, Brüssel, Amsterdam. In Amsterdam gerieten die Niederländer ohne Migrationshintergrund schon im Jahr 2011 in die Minderheit, und von den Kindern unter 15 Jahren ist dort nur noch 1/3 rein niederländischer Herkunft.

Andere Städte im deutschen Norden und Osten zeigen geringere Anteile von Deutschen mit Migrationshintergrund und Ausländern:
Hannover rund 30%,
Berlin rund 30%,
Kiel 24%,
Potsdam 12%,
Dresden 11%.

In den ländlichen Regionen sind die Zahlen auch niedrig. Immerhin schrieb die NZZ, in deutschen Städten sehe die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen. Das wirft Fragen auf. Nicht etwa, ob man solche Statistik überhaupt wiedergeben darf. Die deutschen Elitemedien dürfen es offenbar nicht, bei denen ist das tabu. Für die Allgemeinheit ist es aber eine wichtige Information. Zumal die Zahlen für die junge Generation später die Zahlen für die erwachsene Generation werden, plus Zuzug, plus Nachzug. (Und minus Abzug bei Asylende - falls noch jemand daran glaubt.)

Fragen darf man, ob die Unterscheidung Deutsche mit oder ohne Migrationshintergrund relevant ist. Wohl nicht, wenn sich alles integriert. Aber wenn nicht? Dann gibt es zunehmend mehr Regionen, wo es Druck auf die Integration in der anderen Richtung gibt. Einige Badeanstalten sind Zeichen dafür.

Die schwierigste Frage ist aber, was passiert, wenn nicht-bio-deutsche Mehrheiten gegen deutsche Minderheiten wählen. Das können wir wohl bald beobachten, z.B. in Frankfurt. Die 53% Ausländer und Deutschen mit Migrationshintergrund sind allerdings keine homogene Gruppe, da sind ja alle Nationalitäten dabei. Was wird aber, wenn sich eine türkisch/arabisch/afrikanisch/südosteuropäische Untergruppe zusammentut? Kriegen wir dann Verhältnisse wie im Kosovo oder in Beirut?

Das ist keine unzulässige Spekulation. Es ist eine Perspektive, gegen die seriöse Politik Vorkehrungen treffen muss, anstatt solche Möglichkeiten zu ignorieren und wegzulügen.

Medien-Links:
In deutschen Städten sieht die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen (NZZ)
Frankfurter Integrations- und Diversitäts-monitoring
Interkultureller Integrationsbericht – München lebt Vielfalt
Warum dieser NZZ-Artikel für einen Shitstorm sorgte …