Deutsche Steuerbehörden verfolgen Steuerflucht nicht konsequent, wodurch dem Fiskus jährlich bis zu 15 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgehen. Das ist das Ergebnis der neuesten Studie, die die Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben hat.
Zwar wurden in den vergangenen Jahren 90 bis 180 Milliarden Euro unversteuertes Auslandsvermögen durch Selbstanzeigen aufgedeckt. Doch auch nach Einführung des weltweiten automatischen Informationsaustausches von Steuerdaten parken Deutsche bis zu 200 Milliarden Euro unversteuert im Ausland. Denn der globale Standard zum automatischen Informationsaustausch weist zahlreiche Lücken auf und eine Reihe von Staaten, allen voran die USA, nehmen nicht oder nicht vollumfassend teil. Die Steuerverwaltung kann wegen technischer Versäumnisse und schwacher Personalausstattung die aus dem Ausland überstellten Daten kaum auswerten. Insbesondere jedoch lassen deutsche Steuerbehörden die Möglichkeit ungenutzt, Steuerflüchtlinge durch systematische Abfragen (sog. Gruppenanfragen) konsequent zu verfolgen. Seit 2014 stellten die Steuerverwaltungen laut Bundesregierung insgesamt lediglich sieben Gruppenanfragen ans Ausland. Zusammen mit der extrem langsamen Datenverarbeitung in deutschen Steuerbehörden verjähren deshalb jedes Jahr unzählige Fälle von Steuerhinterziehung.
Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen
im Europäischen Parlament: "Die Gerechtigkeit wird mit Füßen
getreten, wenn Milliardensummen aus Steueroasen nicht zurückgeholt werden.
Die Bundesregierung lässt eines der wirksamsten Instrumente gegen Steuerflucht
ungenutzt. Bei der Methode der Gruppenanfrage gilt: Wer nicht fragt, bleibt
dumm und lässt Milliardeneinnahmen links liegen. Finanzminister Scholz
könnte Steuersümpfe ein Stück weit austrocken, macht es aber
nicht. Eine Anfrage pro Jahr ist nichtmal ein Tropfen auf einen sehr heißen
Stein. Es ist grotesk, dass die Bundesregierung und die Länder die rechtlichen
Möglichkeiten nicht nutzen, die sie auf internationaler Ebene selbst mit
geschaffen hat. Das europäische und das internationale Recht ermöglicht
längst die Namen der Steuerflüchtlinge zu ermitteln, aber Deutschland
nutzt die Chance zur Steuergerechtigkeit fast nicht.
Wieder einmal gilt:
Europa ist viel besser als sein Ruf! Tatenlos sieht die Bundesregierung zu,
wie die gewinnbringenden Gruppenanfragen unterbleiben. Dagegen haben die Niederlande
bewiesen, dass selbst die Schweiz Daten von Steuerflüchtlingen aus der
Vergangenheit umfassend ermittelt. Die Milliarden aus den Steueroasen brauchen
wir dringend für Klimaschutz, Bildung oder sozialen Zusammenhalt. Es ist
ein bitterer Widerspruch, dass Finanzminister Scholz zusätzliche Ausgaben
verweigert und gleichzeitig hinterzogenen Steuermilliarden nicht nachgeht.
Die
mangelnde Verfolgung von Steuerhinterziehern schürt Misstrauen in den Rechtsstaat.
Mit jedem verjährten Fall schwindet ein Stück Vertrauen in den Rechtsstaat.
Für das Versagen der Steuerbehörden ist Finanzminister Scholz verantwortlich.
Die Bundesregierung und die Finanzminister der Länder müssen die Steuerbehörden
mit ausreichend qualifiziertem Personal und den notwendigen IT-Systemen ausstatten.
Jeder zusätzliche Beamte bringt dem Fiskus ein Vielfaches seines Gehalts
an Steuermehreinnahmen. Die Bundesregierung muss alle Aktivitäten der koordinieren,
um die Steuerflüchtlinge systematisch über Gruppenanfragen zu ermitteln.
Dazu müssen die Daten aus den Selbstanzeigen und den gekauften Steuer-CDs
genutzt werden, um systematisch präzise Gruppenanfragen zu erstellen. Dabei
ist weitere Schlafmützigkeit bei Bundesregierung und Bundesländern
fahrlässig, denn jedes Jahr bleiben Steuerflüchtlinge durch Verjährung
straffrei."