Der nicaraguanische Dichter, Befreiungstheologe und Revolutionär Ernesto
Cardenal ist im Alter von 95 Jahren verstorben. Er erlag am 1.3. im Krankenhaus
einem Herzstillstand, wie seine langjährige Assistentin Luz Marina Acosta
der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. Der Dichter und katholische Priester (»Das
Evangelium der Bauern von Solentiname«) war einer der bekanntesten Vertreter
der Befreiungstheologie. Die in Lateinamerika entstandene Bewegung propagiert
die Hinwendung der Kirche zu den Armen und den Kampf für eine sozial gerechte
Gesellschaft. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega rief eine dreitägige
Staatstrauer aus.
Cardenal wurde nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza
durch die linken Sandinisten 1979 vom damals erstmals die Regierung bildenden
Ortega zum Kultusminister ernannt. Das Amt übte er bis 1987 aus. Wegen
seines politischen Engagements geriet Cardenal jedoch mit der katholischen Kirche
in Konflikt. 1985 verbot ihm der damalige Papst Johannes Paul II. die Ausübung
des priesterlichen Dienstes. Erst vor einem Jahr hob Papst Franziskus dieses
Verbot wieder auf. Cardenal gelangte als Vertreter der sandinistischen Revolution
und als Dichter zu großer internationaler Berühmtheit. 1980 erhielt
er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Mit Ortega hatte Cardenal schon
in den 90er Jahren gebrochen, er warf ihm einen autoritären Führungsstil
und Korruption vor.
"Sandinist, Marxist und Christ"
Cardenal war eine der schillerndsten
Figuren Lateinamerikas. Er nannte sich "Sandinist, Marxist und Christ".
Nach einem Literaturstudium in New York beteiligte sich Cardenal 1954 am ersten,
gescheiterten Putsch gegen den Somoza-Clan. 1957 trat er in das Trappistenkloster
Gethsemany im US-Bundesstaat Kentucky ein. Vor seiner Priesterweihe studierte
Cardenal von 1961 bis 1965 in Mexiko und Kolumbien Theologie.
1966 gründete
er auf der Insel Solentiname im Nicaragua-See eine an radikal-urchristlichen
Idealen orientierte Gemeinschaft. Aus den dortigen Erfahrungen entstand sein
wohl bekanntestes Buch, das "Evangelium der Bauern von Solentiname".
1977
floh Cardenal nach Costa Rica und warb um Unterstützung für die Sandinisten.
Zwei Jahre später wurden er und zwei weitere Priester Minister der neuen
sandinistischen Regierung in Nicaragua. Gemeinsam mit dem verstorbenen österreichischen
Schauspieler und Showmaster Dietmar Schönherr gründete Cardenal Ende
der 1980er Jahre in seiner Geburtsstadt Granada eine Einrichtung, die europäische,
indianische und afrikanische Kulturelemente miteinander ins Gespräch bringen
will.
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von 2010, Wikipedia, spanische Version