Sind Viren immer böse?

Diese Frage wurde am 13.6.2020 gestellt:

Die Corona-Pandemie hat es wieder mal bestätigt:
Viren sind böse. Immer?

Die Erzählung "Dreh dich nicht um!" von Frederic Brown beginnt folgendermaßen (in deutscher Übersetzung und verkürzt):
"Setz dich nun ganz bequem zurecht und entspanne dich. Lass dir Zeit beim Lesen dieser Story denn sie ist die letzte, die du jemals lesen wirst." Der Verfasser des bösen Stücks hat diese Erzählung (er ist Setzer) in ein einziges Buch geschmuggelt, nur mit dem Ziel, den Leser genau dieses Buchs am Ende umzubringen.

So ähnlich wie die Schmuggelei des Setzers funktionieren, sehr laienhaft ausgedrückt, die sogenannten "Retroviren", sehr primitive Lebensformen, von denen die meisten Wissenschaftler meinen, sie seien gar nicht lebendig: Sie schleusen ihre eigene genetische Informationen in gesunde Zellen ein, wodurch sie sich vermehren können und schließlich den ganzen Körper überschwemmen, mit Hilfe der Zelle, in die sie eindrangen, denn die sorgt nicht nur für die Herstellung des Genmaterials, sondern auch für eine schützende Hülle ("Capsid"). Das bekannteste und gefürchtetste Retrovirus erzeugt eine unheilbare Krankheit: AIDS, die unaufhaltsame Verringerung der körpereigenen Immunabwehr. Das Gemeine an diesen Apparaturen: Sie können sich innerhalb und außerhalb von Zellen frei bewegen.

Indes, jüngst haben Wissenschaftler ein spezielles Gen genauer untersucht und festgestellt: Dieses für den Aufbau von Nervenbahnen lebenswichtige Gen namens ARC ("Activity-regulated cytoskeleton-associated protein") verhält sich wie ein Retro-Virus! Die Ähnlichkeiten sind so groß, dass angenommen wird, das Gen sei aus Retroviren entstanden. Das Besondere: Ohne dieses Gen hätten wir nicht das Hirn, das wir haben, auch kein Bewusstsein. Wir wären auf der Stufe hirnloser Quallen, denn, auch das stellten die Wissenschaftler fest: Meerestiere haben das Gen nicht. Ihre Nervenstrukturen sind also mit denen der Landtiere nicht vergleichbar.

Ein Retrovirus verhält sich so: Erst dringt es in den Körper ein, dann wird es über das Blut ziellos durch den Körper geschwemmt. Schließlich dockt es an einer Zelle an und schlüpft in sie hinein. Dort beginnt - mit Hilfe der Zelle - die Vermehrung des Virus, also eine endlose Kopie seines genetischen Materials. Auf diese Weise werden neue Viren geschaffen. Die neuen Viruszellen verlassen die Gastzelle, schwärmen aus und infizieren andere. Bei ihrer Wanderung bilden sie eine schützende Hülle um sich selbst, ein "Capsid".

Ein ARC-Gen verhält sich so: Erst verlässt es die Heimat-Zelle, dann wandert es ziellos durch den Körper. Schließlich dockt es an einer Nervenzelle an und schlüpft in sie hinein. Dort beginnt - mit Hilfe der Zelle - die Vermehrung des Gens, also eine endlose Kopie seines genetischen Bauplans. Auf diese Weise werden neue Nervenzellen - und vor allem ihre Verbindungen - geschaffen. Die neuen Nervenzellen schwärmen aus und schaffen andere. Bei ihrer Wanderung bilden sie eine schützende Hülle um sich selbst, ein "Capsid".

Die Ähnlichkeiten sind frappierend, nur dass Viren tödlich sein können, ARC-Gene das Leben verlängern. Denn ihre Funktion ist inzwischen durch Versuche mit Fruchtfliegen und Mäusen bestätigt: Sie stimulieren die Aktivierung und Vernetzung von Nervenzellen, besonders im Gehirn. Was letztenendes zu dem führt, was Menschen offenbar vor anderen Lebensformen auszeichnet: Bewusstsein. Das verdanken wir offenbar uralten Viren.

Die Aktivität des Gens lässt im Alter nach. Könnte man seine Tätigkeit stärken, wären möglicherweise Altersdemenzerscheinungen kurierbar. Bis es so weit ist, bleiben uns nur Ersatzhandlugen wie Kreuzworträtsel lösen, anspruchsvolle Artikel schreiben oder Tango tanzen ...

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