evangelisch.de: Dem Wiener Theologen Ulrich Körtner zufolge
erfindet sich die katholische Kirche möglicherweise gerade neu. Konsequent
zu Ende gedacht könnte dies "auf die Entstehung einer weiteren deutschen
katholischen Nationalkirche hinauslaufen", heißt es in einem Beitrag
des Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen
Fakultät der Universität Wien für das Magazin "zeitzeichen"
(Januar) mit Blick auf die im 19. Jahrhundert entstandene altkatholische Kirche.
"Das ist zwar ganz gewiss nicht das Ziel der Reformer", so Körtner:
"Was aber wäre die Alternative, wenn der Reformprozess in der Weltkirche
ein deutscher Sonderweg bleiben sollte?"
Atheistischer Kommentar:
Das ist wohl nicht anzunehmen, dass in der BRD eine formal nimmer päpstlich-katholische
Kirche sich bilden würde, also z.B. ohne Zölibat und mit weiblichen
Priestern - insgesamt sind allerdings das Problem nicht die vormodernistischen
Elemente in der r.k. Kirche, sondern das sich ausweitende allgemeine religiöse
Desinteresse.
evangelisch.de: Reformen, die jetzt in Deutschland im Rahmen des
Synodalen Weges gefordert werden, seien in der altkatholischen Kirche längst
verwirklicht, sagte Körtner. So sei die altkatholische Kirche synodal und
nicht zentralistisch wie die römische Papstkirche. Frauen werden seit den
90er Jahren zu Priesterinnen geweiht und inzwischen segnet die altkatholische
Kirche auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften. "Doch statt sich dieser
anzuschließen, soll die bestehende römisch-katholische Kirche von
innen heraus grundlegend umgestaltet werden, bei gleichzeitiger Beibehaltung
des zentralistischen Papstamtes und der Dogmen des 2. Jahrtausends", gibt
Körtner zu bedenken: "Wie das gehen soll, ohne die Grundfesten der
römischen Kirche zum Einsturz zu bringen, ist bislang nicht erkennbar."
Atheistischer
Kommentar: Altkatholische gibt es in Europa knapp 70.000 in sechs Staaten.
Entstanden ist diese Kirche 1870 aus Protest gegen das damals verlautbarte Papstprimat
und die päpstliche Unfehlbarkeit durch Papst Pius IX. Dass sich jetzt die
katholische Kirche der altkatholischen anschließt, wird sicherlich nicht
zu erwarten sein. Und der Papst wird sicherlich auch nicht abgeschafft werden...
evangelisch.de: Oberflächlich betrachtet scheinen die Reformer
Körtner zufolge eine "Protestantisierung der katholischen Kirche"
anzustreben. Aber trotz Gewaltenteilung in der Kirche, Abschaffung des Zölibats,
Frauenordination und einer zeitgemäßen Sexualethik befinde sich auch
die evangelische Kirche in einer Krise. "Trotz demokratischer Kirchenstrukturen,
Pfarrerinnen auf der Kanzel und einer liberalen Sexualethik kehren ihr massenhaft
Mitglieder den Rücken zu", so Körtner. Kritiker des Synodalen
Weges hielten den Reformprozess daher für eine Auflösungserscheinung.
Körtner: "Ihrem konservativen Kirchen- und Glaubensverständnis
gemäß hat die katholische Kirche durch ihre Protestantisierung kaum
etwas zu gewinnen, dafür aber viel und Entscheidendes zu verlieren, nämlich
ihre sakramentale Substanz und damit gewissermaßen ihren Markenkern."
Atheistischer
Kommentar: Ja, die Evangelischen haben das alles, was es bei den Katholiken
nicht gibt, trotzdem verlieren die Evangelischen mehr Mitglieder als die Katholischen.
In der BRD verloren von 1990 bis 2019 die Katholiken 8,2 % der Kirchenmitglieder,
bei den Evangelischen waren es 12 %. Religiöse Liberalität bindet
nicht gut.
evangelisch.de: Mit Blick auf Bemühungen für ein gemeinsames
Abendmahl von Protestanten und Katholiken erklärte Körtner: "Der
Ökumene täte es aber gut, gemeinsam eine Denkpause einzulegen, statt
den eingeschlagenen Weg unverdrossen weiterzugehen, auf dem ein erneutes Scheitern
vorprogrammiert ist. Für die evangelischen Kirchen ist das aus meiner Sicht
auch eine Frage der Selbstachtung." Zur Fortsetzung ökumenischer Bemühungen
gebe es allerdings keine Alternative, "gerade in Anbetracht der Kirchenkrise,
die je auf ihre Weise die römische wie die evangelischen Kirchen erfasst
hat." Der Synodale Weg der katholischen Geschwister wecke Sympathien auf
evangelischer Seite. Zur ökumenischen Solidarität gehört es aber
auch, "Realitätssinn zu bewahren".
Atheistischer Kommentar:
Das mit der Kirchenkrise hat er erkannt, der Herr Professor, die Kirchenkrise
wird aber nicht kirchlich verursacht, sondern bildet sich naturwüchsig
als Nebenprodukt des Säkularismus! Und den kann man religiös nicht
bekämpfen! Neu erfinden lässt sich der Katholizismus auch nicht, eine
Verevangelisierung - also Abschaffung von Zölibat und Zulassung weiblicher
Priester etc. - brächte keine stärkere, sondern eine lockerere Kirchenbindung. Amen,
so ist es!