katholisch.de: Es könne keinem kirchlichen Verantwortungsträger
bis 1990 zur Last gelegt werden, wenn er einen Missbrauchspriester einfach versetzt
habe, sagt Psychiater Manfred Lütz. Er begründet das unter anderem
mit Aussagen von Wissenschaftlern.
Der Psychiater, Theologe und Bestsellerautor
Manfred Lütz ruft dazu auf, bei der Bewertung des Handelns von Bischöfen
im Umgang mit Missbrauch die historische Perspektive zu beachten. Ohne diesen
Aspekt könne es keine Gerechtigkeit geben, schreibt Lütz in einem
Gastbeitrag für die Würzburger Zeitung "Die Tagespost".
Daher könne es keinem kirchlichen Verantwortungsträger bis 1990 zur
Last gelegt werden, wenn er damals einen Täter versetzt habe, ohne die
Gemeinde vor Ort über das Geschehen zu informieren. "Ein solches Verhalten,
das heute absolut verantwortungslos wäre, war damals fast unvermeidlich."
Als Begründung führt der Psychiater Aussagen von Wissenschaftlern
an.
Atheistische Anmerkung: Meinereiner kennt so eine Versetzungsgeschichte
aus den Erzählungen seiner Eltern. Beide besuchten in den 1920er-Jahren
im Mühlviertel die damals sechsklassige Volksschule. Die Volksschule am
Ort hatte Abteilungsunterricht, was bedeutet, dass mehrere Schulstufen gleichzeitig
unterrichtet wurden. Den Religionsunterricht hielt der Pfarrer selber ab. Neben
seiner Gewalttätigkeit gegen Schüler war sein zweites Übel der
Hang zu heranreifenden Mädchen. Er stolzierte in seiner weiten Soutane
durch die Klasse, betatschte dabei mit der einen Hand prüfend und sich
aufgeilend schon gerundete Mädchen der oberen Schulstufen, während
er mit der anderen Hand unter der Soutane heftig wichste. Knaben, die selber
diese "Sünde" schon kannten, hatten in der Pause was zu wispern
und zu lachen. Der Zölibat hatte ersatzsexuelles Verhalten von Anbeginn
hervorgebracht.
katholisch.de: Die Wissenschaft habe die Bischöfe damals im
Stich gelassen, so Lütz. Der deutsche Sexualwissenschaftler Eberhard Schorsch
habe etwa 1970 bei einer Anhörung im Bundestag erklärt, gewaltfreie
Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern schädigten gesunde Kinder
nicht: "Das war noch bis Ende der 80er Jahre herrschende Lehre!" Und
in dem 1989 erschienenen Buch "Klinische Sexologie" habe es noch geheißen,
"dass die Untersuchungen und Verhöre, die solchen Handlungen folgen,
mehr Schaden anrichten als die Handlung selbst". Viele Fälle seien
in der Familie zu regeln.
Atheistische Anmerkung: Solche Meinungen
wie die vom Schorsch wurden in den Sechzigerjahren häufig geäußert,
es gab dazu von den Sexualfreunden die Forderung für sexuelle Freiheit
bei Kindern. In der katholischen Kirche gab es seit Jahrhunderten diese Freiheit
der geistlichen Herren zum Kindesmissbrauch! Thema, das diskutiert wurde, war
das freilich keines! Weil dazu war die r.k. Kirche zu allmächtig!
katholisch.de: Lütz nannte dies "unsägliche Verirrungen
der sexuellen Revolution". Und die Kirche sei der Spitze des Fortschritts
in der öffentlichen Wahrnehmung bremsend hinterhergetrottet. Zudem habe
die Gesellschaft in der Annahme einer baldigen Entkriminalisierung der Pädophilie
entsprechende strafrechtliche Normen zu Kindesmissbrauch kaum angewandt. Vielfach
hätten außerdem katholische Eltern, deren Kinder von Priestern missbraucht
wurden, ein Verfahren verhindert.
Atheistische Anmerkung: Die
"sexuelle Revolution" fand nicht zwecks Einführung des Priesterrechtes
auf Kinderschändung statt, dass es diese Schändungen gab, wurde während
dieser Zeit nirgendwo diskutiert!
katholisch.de: In der momentanen Debatte um Aufarbeitung fehle
größtenteils diese Sicht, kritisierte Lütz weiter. Stattdessen
laufe in vielen Diözesen eine "Aktion Bischofsgruft". Statt selbst
für sich Konsequenzen zu ziehen, seien einige Bistumsleitungen auf den
Gedanken verfallen, die verblichenen Vorgänger zur Rechenschaft zu ziehen:
"Es ist aber eigentlich ziemlich unwahrscheinlich, dass alle heutigen Bischöfe
tapfere Aufklärer und alle früheren charakterlose Finsterlinge gewesen
sein sollen."
Atheistische Anmerkung: Klar, für Bischöfe
war ihr Handeln eine Selbstverständlichkeit, Missbrauch war pflichtgemäß
zu vertuschen! Mein obiges Beispiel aus den 1920er-jahren wurde genauso behandelt,
der Pfarrer, der herangereifte Mädchen vögelte, hatte das Pech, dass
er sich einmal nicht an der Tochter eines Kleinbauern oder Handwerkers verging,
die sich nie trauten, das Hobby des Pfarrers zu thematisieren, sondern an der
Tochter eines Großbauern, der kein ängstlicher Tropf war, sondern
einer, der seine Interessen durchzusetzen vermochte. Der Bauer fuhr nach Linz
zum Bischof und legte ihm den Fall in aller Deutlichkeit klar. Die bischöfliche
Reaktion war die bis ins 21. Jahrhundert weltweit übliche: Stillschweigen
bewahren und den Pfarrer versetzen. Alle im Dorf wussten, warum der Pfarrer
plötzlich weg war!
katholisch.de: Es erscheine merkwürdig, dass in den vergangenen
zehn Jahren noch kein einziger Verantwortlicher öffentlich erklärt
habe, dass er Fehler gemacht habe und deswegen zurücktrete. Dabei wäre
ein solcher Schritt aus eigenem Antrieb gerade für die Betroffenen therapeutisch
heilsam, so Lütz. Ein Rücktritt wäre aus seiner Sicht unvermeidlich,
wenn ein Täter entgegen besserem Wissen und entgegen den seit 2002 bestehenden
Leitlinien ohne Hinweis an die Gemeinde vor Ort versetzt worden und es erneut
zu Übergriffen gekommen sei: "Demgegenüber sind rein formale
juristische Versäumnisse, die nicht erneut Unheil angerichtet haben, aus
meiner Sicht kein Grund für einen Rücktritt."
Atheistische
Anmerkung: Zusammengebrochen ist das katholische Sexualsystem erst 2010
als das Vertuschen nimmer möglich war, weil das Schweigen zerbrochen war,
siehe z.B. den Profil-Artikel
vom April 2010: "Wie selig ist Johannes Paul II., vormals Papst und Schutzpatron
der Kinderschänder?"
Durch die Jahrhunderte hatte der Zölibat
auch den Zugewinn von homosexuellen und päderastischen Priestern gefördert,
weil heranwachsende jungen Männer hatten über die Varianten der Sexualität
keine Ahnung, wenn sie merkten, dass sie an Frauen nicht interessiert waren,
war das Priestertum eine passende Lebensmöglichkeit, die sexuellen
Möglichkeiten für Päderasten wurden erst später im Leben
nach der Priesterweihe entdeckt. Und das lief eben erfolgreich bis ins 21.
Jahrhundert!
katholisch.de: Jüngst hatten mehrere Gutachten in deutschen
Bistümern Fehlverhalten früherer Bischöfe angeführt. In
Aachen wurden etwa Altbischof Heinrich Mussinghoff (80) sowie die bereits verstorbenen
Bischöfe Johannes Pohlschneider (Amtszeit: 1954-1974) und Klaus Hemmerle
(1975-1994) belastet. Ein Zwischenbericht im Bistum Münster bescheinigte
den Bischöfen Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979)
und Reinhard Lettmann (1980-2008) ein "intensives Leitungs- und Kontrollversagen".
Ein Sondergutachten im Erzbistum Köln wirft neben Höffner und Tenhumberg
auch Kardinal Joachim Meisner (1989-2014) "pflichtwidriges" Verhalten
vor.
Atheistische Anmerkung: Wozu jetzt die Auflistung verstorbener
Täter? Praktisch ALLE BISCHÖFE HABEN DAS JAHRHUNDERTELANG SO GEMACHT!
Der Sexualtrieb lässt sich nicht mittels Verbot unterbinden! Sogar der
Jesus hat ja bekanntlich in der Bibel festgestellt, dass Ehelosigkeit nur etwas
für Kastrierte ist! Hier wieder einmal das Zitat aus der Debatte über
die Ehelosigkeit, Mt 19,12: "Denn es sind etliche verschnitten, die sind
aus Mutterleibe also geboren; und sind etliche verschnitten, die von Menschen
verschnitten sind; und sind etliche verschnitten, die sich selbst verschnitten
haben um des Himmelreiches willen. Wer es fassen kann, der fasse es!" Das
wäre also klar gewesen, als man vor rund 1000 Jahren für Priester
den Zölibat entgültig festlegte! Der Zölibat sollte vermeiden,
dass sich innerhalb der Kirche feudale Strukturen bildeten, also vererbbare
Pfarren, Dechanate, Bistümer - dass man dazu die Kastration vor der Priesterweihe
einführen hätte müssen, soweit dachte man nicht! Jetzt den Zölibat
abzuschaffen wäre gesellschaftlich ja keinerlei Problem mehr, weil feudale
Strukturen bilden sich in der Kirche im neoliberalen Zeitalter nimmer! Aber
um darüber nachzudenken und das zu begreifen, dazu ist man in Rom zu feig
und zu deppert!