Biden-Regierung im Dialog mit "American Atheists"

Von Inge Hüsgen am 11.6.2021, sie ist die Chefredakteurin des "Skeptiker", der Vierteljahreszeitschrift der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) sowie Redakteurin beim Humanistischen Pressedienst.

Aufbruchstimmung bei den American Atheists:

Nach einem Treffen mit der US-Religionsbeauftragten Melissa Rogers im Weißen Haus zieht der Präsident der Organisation, Nick Fish, ein optimistisches Fazit. Er nannte es "beruhigend", dass die Biden-Regierung ihre Verpflichtungen gegenüber atheistischen, humanistischen und anderen religionsfreien AmerikanerInnen ernst nähme. Positiv wertete er auch Rogers' Bekenntnis zur weltanschaulichen Neutralität des Staates und zur Förderung der religiösen Vielfalt, in der er ausdrücklich auch die atheistische Position verortet.

Nick Fish war einer von mehreren VertreterInnen von atheistischen, humanistischen und säkularen Organisationen, die Rogers Mitte Mai zu einem einstündigen Treffen nach Washington geladen hatte. Von Joe Biden als Chefin des White House Office of Faith-Based and Neighborhood Partnerships (Büro für glaubensbasierte und Nachbarschaftspartnerschaften im Weißen Haus) eingesetzt, ist sie zuständig für den Dialog der Regierung mit religiösen und weltanschaulichen Gruppen. Melissa Rogers verfügt über langjährige Erfahrung auf diesem Posten, den sie schon unter Barack Obama bekleidete. Während der Trump-Regierung war das Amt nicht besetzt.
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Neben diesen positiven Signalen benannte Fish jedoch auch Bereiche, in denen amerikanische AtheistInnen nach wie vor mit religiöser Diskriminierung rechnen müssten. So äußerte er "gravierende Zweifel" bezüglich der Zuverlässigkeit von religiös orientierten Sozialdienstleistern. Seine Organisation werde sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass Hilfesuchende nicht aus religiösen Gründen von Notunterkünften, Pflegeeinrichtungen oder anderen Diensten der sozialen Grundversorgung abgewiesen würden. Auch Adoptionswilligen dürfte der Wunsch nach einem Adoptivkind nicht aufgrund ihrer Weltanschauung verwehrt werden.

Die American Atheists verstehen sich als Interessenvertretung der atheistisch orientierten Menschen in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2018 zählte die Organisation nach eigenen Angaben 3.500 Mitglieder, ihr Engagement für eine Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften stärkt jedoch auch die gesellschaftliche Position einer weitaus größeren und stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe, der US-AmerikanerInnen ohne religiöse Bindung ("religious affiliation"). Mit diesem Sammelbegriff bezeichnen Meinungsforscher Atheisten, Agnostiker und Personen, die sich keiner Religionsgemeinschaft zurechnen. Im Rahmen einer Befragung in den Jahren 2018 und 2019 zählten sich bereits 26 Prozent zu dieser Gruppe. 2017 waren es noch 16 Prozent gewesen.