In dieser Woche ereignete sich in Afghanistan etwas, das die Welt mindestens
so nachhaltig verändern wird wie der 11. September. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit
haben sich in der vergangenen Woche 20 Jahre Afghanistan-Politik der westlichen
Welt in Luft aufgelöst. Noch im Juni hatte sich US-Präsident Joe Biden selbstsicher
gegeben, dass Afghanistan nicht an die Taliban fallen werde. Die Bilder, die
kurz darauf vom Flughafen um die Welt gingen, sprachen für sich. Flüchtlinge
versuchten verzweifelt, in überfüllten Maschinen zu entkommen. Das Gebiet
um den Flughafen ist immer noch von Chaos geprägt. Ex-Präsident Aschraf Ghani
ist unterdessen in den Vereinigten Arabischen Emiraten untergekommen, angeblich
mit Koffern voller Geld.
Die Besatzung des Landes stellte sich als kostspieliges Unterfangen für die
USA und ihre Verbündeten ohne bleibenden Eindruck heraus. Bundeskanzlerin Angela
Merkel meinte dazu lapidar, der Einsatz sei "nicht so geglückt".
Leicht untertrieben, könnte man sagen. Erschreckend war vor allem die Niederlage
der afghanischen Armee, die sich fast kampflos ergeben hatte. Wie konnte es
dazu kommen? Auch in Deutschland muss man sich angesichts mancher Auslandseinsätze
die Frage stellen: Waren die Kosten des Einsatzes gerechtfertigt?
Aber auch Personalien geraten in den Fokus: Viele fragen sich, wie Heiko Maas,
der bei der Evakuierung deutscher Angehöriger viel zu spät in Aktion trat,
überhaupt auf den Außenministerposten gekommen war. Mancher fordert sogar
den Rücktritt der Bundesregierung.
Den Russen (bzw. den damaligen Sowjets) ging es ja seinerzeit auch nicht besser. Man hatte dort 1978 einen kommunistischen Putsch der 1965 gegründeten "Demokratische Volkspartei Afghanistans" unterstützt. Diese versuchte in Afghanistan umfassende Reformen durchzusetzen, in der Bildungspolitik, bei den Frauenrechten und der Modernisierung des Landes. Die Reformen nahmen auf lokale Gegebenheiten kaum Rücksicht, der Landbevölkerung brachten sie keine Verbesserung ihrer Lebensumstände. Die Reformnen wurden gewaltsam fortgesetzt, das brachte große Teile der Bevölkerung dagegen auf, im Juli 1978 brachen Unruhen in der Provinz Nuristan aus und bis zum Sommer 1979 hatte sich der Konflikt zu einem Bürgerkrieg ausgeweitet. Es gab dadurch eine politische Entwicklung Richtung USA. Die Sowjetunion intervenierte im Dezember 1979 mit eigenen Truppen, bis 1989 stand das Land sozusagen unter sowjetischer Verwaltung.
Dann folgte der sowjetische Rückzug, die Regierung hatte dadurch
entsprechende Probleme und 1996 besetzte die im September 1994 gegründete
islamistische Terrorgruppe Taliban Kabul, die dann von September 1996 bis
Oktober 2001 große Teile Afghanistans beherrschte. Der afghanische Präsident
Massoud wurde am 9. September 2001 von zwei arabischen Selbstmordattentätern
umgebracht, zwei Tage danach - also am 11.9.2001 - wurden terroristische
Anschläge in den USA verübt, die zum Tod von mindestens 2993 Menschen führten.
Der UN-Sicherheitsrat gab am 12.9. den USA das Recht zur Selbstverteidigung.
Nach Auffassung der USA und anderer Regierungen wurde dadurch ein militärischer
Einsatz in Afghanistan völkerrechtlich legitimiert. US-Präsident George
W. Bush forderte von der afghanischen Regierung die Auslieferung des Terroristenanführers
Osama bin Laden, das wurde verweigert und die USA starteten ab 7.10.2001
vorerst erfolgreich die militärische Intervention in Afghanistan! 2003
formierten sich dort die Talibans neu, der Krieg geht weiter, 2019 kontrolliert
die Regierung noch 55 % des Landes, seit Beginn des Abzugs der US- und NATO-Truppen
aus Afghanistan im Mai 2021 hatten die islamistischen Taliban wieder
freie Hand und das Land ist jetzt wieder voll in ihren Händen.