BRD: Ungerechte Sitzverteilung im neuen Bundestag

Wilfried Müller am 5.10.2021

Das antiquierte Häufelsystem hat für den Bundestag von 2013 mit 631 Sitzen eine annehmbare Lösung gefunden, es gab aber schon eine gute mit 598. 2017 kamen 709 Stimmen raus, und das war tatsächlich die erste gute Lösung, die anderen brauchbaren Lösungen hatten noch mehr Sitze. 2021 hat das System aber grob versagt. Mit Überhangmandaten und Ausgleichsmadaten sollte die Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Zweitstimmen gewahrt bleiben, und das hat nicht funktioniert. Die vorgezeigte Lösung sieht so aus:

Erläuterung

Durch eine Sonderbestimmung wird bei der SSW die Stimmenzahl nicht beachtet, nur das eine Direktmandat zählt. Die Rechnung erfolgt nur für die Stimmen der anderen Bundestagsparteien. Aus den (allein maßgeblichen) Zweitstimmen werden die Anteile der Parteien auf die restliche Gesamtzahl 734 der Sitze berechnet, im Fall der CDU: (8770980/42360565)*734=151.98

Das heißt, bei 735 Sitzen stehen der CDU rechnerisch 151.98 Sitze zu. Sie hat aber nur 151 bekommen, Abweichung -0.98. Bei der SPD ist die Abweichung sogar -1.06. Nur bei der CSU ist eine positive Differenz von +3.37. Darin liegt eine grobe Ungerechtigkeit.

Es ist klar, dass die Sitzverteilung nach den Zweitstimmen und die Direktmandate (die aus den Erststimmen stammen) hier im Konflikte liegen. Man sieht das schon an der Rechnung für die CSU, wo die 45 Direktmandate ca. 793 Sitze nötig machen: (45*42360565)/2402826=793.3. Soll heißen, wenn alle Parteien dasselbe Verhältnis von Zweitstimmen zu Mandaten haben sollen, was ja das Ziel der Ausgleichsmandate ist, muss der Bundestag ungefähr 793 Sitze haben.

Ein paar gerechte Lösungen

Bei 785 Sitzen ergibt sich die erste brauchbare Lösung, wo die CSU nur 1/2 Sitz geschenkt bekommt. Die Passung ist aber noch nicht besonders gut, weil 44.47 aufgerundet wird statt abgerundet:

Bei 787 Sitzen gibt es die nächste einigermaßen brauchbare Lösung (da wird bei der CSU richtig gerundet, aber bei der FDP muss +0.65 abgerundet werden), aber bei 788 kommt die erste gute Lösung mit geringen Differenzen für alle Parteien:

Fazit

Wenn das offizielle Diktum stimmt, dass die Sitzverteilung passend zum Verhältnis der Zweitstimmen gemacht werden soll, muss der Bundestag 2021 nicht 735 Sitze haben, sondern 788 oder mindestens 785. Bei 735 ist die Ungerechtigkeit so grob und dermaßen willkürlich, dass sie eigentlich nicht tolerierbar sein sollte. Die 785er-Version hat nur eine minimale Ungerechtigkeit, weil 44.47 Sitze auf 45 aufgerundet werden statt auf 44 abgerundet  Die 788er-Lösung ist dagegen perfekt - ausser dass sie das Soll von 598 Sitzen um 190 überschreitet.