Das Trojanische Pferd des Herrn Sobotka

Von Gerhard Engelmayer veröffentlich am 12. Okt 2021 auf der Site https://www.humanisten.at/

Brief von Alois Schöpf an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

Bekanntlich endet die Stellungnahme der österreichischen Bischofskonferenz in Reaktion auf das Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, wonach die Kriminalisierung der Beihilfe zum sogenannten Selbstmord verfassungswidrig sei, mit der Forderung an die österreichischen Politiker, dem Erkenntnis des Gerichtshofs unter gewissen strengen Bedingungen zwar Rechnung zu tragen, jedoch jeglicher Form der aktiven Sterbehilfe mit einem Verbot im Verfassungsrang entgegenzutreten.

Genau darauf zielte denn auch das Statement von Nationalratspräsident Sobotka ab, wenn er meinte, die Fragen der Sterbehilfe müssten durch ein Verfassungsgesetz geregelt werden, wobei er zugleich eine Antwort, was darunter konkret zu verstehen sei, schuldig blieb, da seine Stellungnahme offenbar nur als Versuchsballon gedacht war, die allgemeine Stimmungslage abzutesten.

Wieder einmal erweist sich die ÖVP also als ein verlängerter Arm der katholischen Kirche, wenn sie versucht, deren Forderungen in ein für die anderen Parteien nach außen hin attraktives Angebot zu verpacken. Denn wie liberal oder weniger liberal auch die Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs durch einen Gesetzesentwurf der derzeitigen Regierung ausfallen mag, es wäre im schlechtesten Sinne reaktionär, sich mit einem Gesetz in Verfassungsrang einem in der gesamten westlichen Welt platzgreifenden Denkprozess zu verweigern und dabei wieder einmal genau jenes schwere menschliche Leid in Kauf zu nehmen, dem nunmehr durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof zumindest zum Teil ein Riegel vorgeschoben wurde.

In immer mehr Ländern Europas wird nämlich durch die sukzessive Anpassung der Sterbehilfegesetze (ob es sich dabei um die Möglichkeit der Beihilfe zum Suizid oder um aktive Sterbehilfe handelt) an die Realitäten einer modernen Gesellschaft versucht, einerseits noch nicht erfasstes unnötiges Leid in der letzten Phase des Lebens zu verhindern und zugleich die Autonomie des Menschen immer mehr in das Zentrum des Denkens und der Gesetzgebung zu stellen.

Als Vertreter der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende ÖGHL hatten Wolfgang Obermüller und Alois Schöpf Gelegenheit, mit zahlreichen Politikern und Politikerinnen auf höchstem Niveau über all diese Probleme ausführlich zu sprechen. Im Hinblick auf das Statement von Herrn Sobotka, hinter dem wir einen weiteren feigen Anschlag im Dienste einer totalitären Gesinnungsgemeinschaft auf den autonomen Staatsbürger vermuten, möchten wir eindringlich daran erinnern, dass uns in allen Gesprächen von Seiten aller Parteien vermittelt wurde, in keinem Fall auf Gesetzesvorschläge einzugehen, die das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs in welcher Art und Weise immer rückabzuwickeln versuchen.

Genau in diese Richtung zielt jedoch der Vorschlag Sobotkas.
Er muss daher scharf zurückgewiesen werden.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung Alois Schöpf, ÖGHL Beirat