Die Konstruktionsfehler des Menschen


Notizen 440 vom 19.3.2022

Am 23. Oktober 4004 vor unserer Zeitrechnung um 9 Uhr - es war ein Sonntag - trennte Gott das Licht von der Finsternis, was wir heute als "Erschaffung der Welt" interpretieren. Das Datum hat James Ussher, Primas der anglikanischen Kirche, einer der führenden Gelehrten im 17. Jahrhundert, ausgerechnet, und es bezieht sich auf den damals üblichen Julianischen Kalender. Im heute üblichen Gregorianischen Kalender wäre das 1. September. Sechs Tage später - das war dann ein Freitag, gregorianisch der 26.9. - schuf er den Menschen, genauer gesagt: die Menschen, oder, wie es in der Genesis (1. Mose 1,27) heißt: Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Nix Adam, nix Rippe. Gleichzeitig und gleichberechtigt.
Irgendwie muss der Weltenschöpfer wohl etwas übermüdet gewesen sein, denn das mit dem göttlichen Abbild hat nicht so recht funktioniert.
Einige Konstruktionsfehler scheinen ihm dabei unterlaufen zu sein, und die wollen wir uns jetzt mal ansehen.

(1) Luft- und Speiseröhre
Am Anfang war der Mund, jedenfalls bei komplexen Lebewesen, der zunächst der Nahrungsaufnahme diente. Aber Nahrung wird nicht restlos verwertet, der Abfall muss wieder ausgeschieden werden. Das geht auch über den Mund (wie bei den Polypen), ist aber irgendwie unpraktisch. Selbst bei Drehtüren gibt es einen Ein- und einen Ausgang, erst recht bei Großküchen. Also erfand die Natur einen zweiten Ausgang, der schon bei Würmern in Aktion trat. Die Speiseröhre erstreckte sich dann über den ganzen Körper, vom Mund bis zum After.
Dann lernten Lebewesen, Energie nicht nur durch Atmung, sondern auch durch Sauerstoff (aus der Atmosphäre oder der in Wasser gelösten Luft) zu entnehmen. Dazu brauchten sie eine weitere Röhre, entweder durch den Mund (wie bei Fischen) oder durch ein weiteres Einführ-Organ, die Nase. Die Luftröhre durchzog nicht den ganzen Körper, sie verlief nur bis zu den Lungen. Aber da gab es ein Problem.
Infolge eines "undurchdachten" Designs überkreuzen sich die beiden Röhren im Kehlkopf, was oftmals fatale Folgen hat: Nahrung aus der Speiseröhre dringt in die Luftröhre ein, wir ersticken an einem harmlosen Bissen. Meist geht's gut, doch hier ist eine aufwändige "Software"-Verwaltung der Schluck- und Atembewegungen erforderlich. Ein manchmal tödlicher Konstruktionsfehler.

(2) Das menschliche Auge (siehe Bild)

Betrachten wir als nächstes das menschliche Auge, unser wichtigstes Sinnesorgan. Aus der Abbildung sehen wir, wie es aufgebaut ist. An die lichtempfindliche Netzhaut (unten: Zapfen und Stäbchen) schließen sich eine Reihe weiterer Schichten an, deren Namen und Funktionen nichts zur Sache tun. Sie werden gebraucht, sonst wären sie nicht vorhanden. Und nun die Frage: Aus welcher Richtung kommt das Licht? Ein intelligenter Konstruktör würde die Schichten so legen, das die Netzhaut ganz nahe dem Lichteinfall zu liegen kommt. Die lichtzugewandte Seite müsste also unten liegen. So ist es auch - beim Tintenfisch. Aber nicht beim Menschen. Beim menschlichen Auge liegt die lichtempfindliche Netzhaut hinter den anderen Schichten. Licht kommt (in der Abbildung) von oben und muss sich durch eine Menge licht-schluckender Zellen quälen, bevor es, völlig verformt, abgelenkt, geschwächt und eigentlich unbrauchbar auf die Stäbchen und Zäpfchen der Netzhaut trifft.
Wie kommt es dann, dass der Mensch überhaupt etwas sieht, dazu noch leidlich korrekt? Das ist gar nicht so leicht. Ein gewaltiger Aufwand an "Software" (Programmen) muss den Mangel der "Hardware" (das Auge als Licht aufnehmendes Instrument) wieder gut machen. Das aber ist so aufwändig, dass das menschliche Gehirn rund zwei Drittel seiner Kapazität allein zur Fehlerkorrektur der einfallenden optischen Informationen aufwendet. Die Kapazität könnten wir besser verwenden, und sie macht auch unseren Kopf zu groß, mit fatalen Folgen bei der Geburt. Soweit zum intelligenten Design des Auges.
Ersetzen wir "Gott" durch die "Natur", "Schöpfung" durch "Evolution", kommen wir zu anderen Zielen und Erklärungen. Die Natur hat kein Ziel, baut auf dem, was da ist, versucht das Beste aus dem zu machen, was sie vorfindet, und wenn's nicht klappt, wird eliminiert. Oder auch nicht, das ist meist eine Sache des Zufalls.

Dagegen ist Punkt (3) weder durch intelligentes Design noch durch Förderung oder Elimination durch die Natur erklärt werden:
(3) Sadismus
Was ist eigentlich schlimm daran, andere Menschen bei ihrem Vergnügen zu beobachten? Nichts, aber wir ergötzen uns viel mehr an den Schmerzen und Qualen anderer. Diese Art des Vergnügens war zu allen Zeiten verbreitet, wurde selten unterdrückt, oft gefördert, mindestens stillschweigend geduldet. Nicht erst der berüchtigte Marquis de Sade entdeckte die Verbindung zwischen Grausamkeit und sexueller Erregung. Sie war auch vorher schon bekannt.
Hinrichtungen waren lange Zeit Volksfeste, bei denen es in der Menge oft auch zu intensiven Sexualkontakten kam. Casanova berichtet über eine solche "Stehung" während der vierstündigen grausamen Hinrichtung des Königsattentäters Damiens.
Ob der Augenzeuge eines Verkehrsunfalls ebenso empfindet? Seine Motive, stehen zu bleiben und zuzusehen (anstatt zu helfen), sind psychologisch immer noch nicht einwandfrei erforscht. Sicher hat es etwas mit seinen Hormonen zu tun. Bei intensiver Erregung - sei es durch Angst und Schrecken, sei es durch geschlechtliche Stimulation - sondert die Nebenniere das Alarmhormon Adrenalin ab. Adrenalin ähnelt in seiner Wirkung dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron. Aber was hat Gott sich dabei gedacht? Oder, etwas wissenschaftlicher formuliert: Wie konnte sich ein solches Verhalten herausbilden, trotz Überleben der Fitten oder Elimination der Unfitten?