Weltweit geraten die Menschenrechte zunehmend in Gefahr, so das alarmierende
Fazit des Amnesty-Reports 2021/22, den Amnesty International (AI) jetzt veröffentlicht
hat. Millionen Menschen fliehen dem Bericht zufolge vor Krieg und Gewalt,
leiden unter einer ungerechten Verteilung medizinischer Ressourcen und Aktivisten
werden zunehmend von Gewalt und Verhaftung bedroht.
Mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Gewalt schreckliche
Höhepunkte erreicht. Amnesty wirft Russland Angriffe auf zivile Ziele sowie
den Einsatz von Streumunition in der Ukraine vor. Streubomben sind international
geächtet, allerdings hat Russland den internationalen Vertrag über das Verbot
dieser Waffen nicht unterzeichnet.
Im Ukraine-Krieg erlebt Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten
Weltkrieg. Bis Mitte April sind über 4,7 Millionen Menschen aus der Ukraine
geflohen. Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty in Deutschland, begrüßt
die rasche Reaktion Deutschlands, das bisher etwa 345.000 geflüchtete Ukrainerinnen
und Ukrainer aufgenommen hat. Gleichwohl dürften nicht diejenigen vergessen
werden, die vor anderen bewaffneten Konflikten auf der Welt oder vor politischer
Verfolgung flüchteten, so Beeko weiter. AI zufolge sei es im vergangenen Jahr
an mehreren EU-Außengrenzen zu Misshandlungen und unrechtmäßigen Zurückweisungen
von Geflüchteten durch Grenzbeamte gekommen. Die USA hätten 2021 fast 1,5
Millionen Menschen an der Grenze zu Mexiko unrechtmäßig zurückgewiesen, darunter
viele Kinder.
Der Umgang mit Flüchtlingen in den Aufnahmeländern ist einer von drei Schwerpunkten
der Menschenrechtsarbeit, die Amnesty im Bericht benennt, neben dem Zugang zu
medizinischer Versorgung und zivilgesellschaftlichen Freiräumen.
Als weiteres Problemfeld nennt der Bericht die Unterdrückung von Menschenrechtlern,
Oppositionellen und Medienschaffenden. Nicht weniger als 67 Länder hätten
im vergangenen Jahr neue Gesetze zur Einschränkung der Meinungs-, Vereinigungs-
und Versammlungsfreiheit erlassen. In mindestens 85 der berücksichtigten 154
Staaten sei es 2021 zu unverhältnismäßiger oder übermäßiger Gewalt gegen
Demonstrierende gekommen, in 84 Staaten seien Menschenrechtsaktivisten willkürlich
verhaftet worden.
Auch die ungleiche Verteilung von Impfstoffen gegen Covid-19 weltweit wird von
Amnesty kritisiert. Während bis Ende 2021 in der EU etwa 70 Prozent der Bevölkerung
über einen vollständigen Impfschutz verfügten, seien in Afrika weniger als
acht Prozent einmal geimpft. Den Herstellerfirmen wirft AI vor, geistiges Eigentum
zu monopolisieren und Technologietransfers zu blockieren - unterstützt von
den Regierungen wohlhabender Länder.
Nicht nur bei der Pandemiebekämpfung mahnt Amnesty eine gemeinsame internationale
Strategie an. So moniert die Organisation mangelnde Sanktionen der Staatengemeinschaft
gegen Menschenrechtsverstöße, die ja nicht nur in der Ukraine stattfinden.
Die Institutionen zum Schutz von Frieden, Menschenrechten und Sicherheit dürften
nicht länger wegen wirtschaftlicher Interessen geschwächt werden, fordert
Markus N. Beeko: "Das Verhalten der russischen Regierung zeigt aufs Dramatischste
die Folgen eines solchen weltweit verbreiteten Wegduckens."