Julian Assange droht Auslieferung an die USA

Weil der Wikileaks-Begründer jetzt tatsächlich an die USA ausgeliefert werden soll, wo ihm wegen seiner freien Informationen und Meinungsäußerungen schwere Haftstrafen drohen, hier der Artikel "9 Fragen und Antworten", veröffentlicht von Amnesty am 27.2.2020, zuletzt aktualisiert am 25.1.2022

WER IST JULIAN ASSANGE?
Julian Assange ist ein ehemaliger Computerhacker und Aktivist. Er gründete 2006 die Online-Plattform WikiLeaks. (> Bild YouTube-Screenshot)

WAS IST WIKILEAKS UND WAS HAT ES MIT JULIAN ASSANGE ZU TUN?
Nach eigenen Angaben ist WikiLeaks eine multinationale Medienorganisation, spezialisiert auf die Analyse und Veröffentlichung großer Datensätze zensierter oder anderweitig eingeschränkter offizieller Materialien, die Krieg, Spionage und Korruption beinhalten. Julian Assange als ihr Gründer sorgte mit WikiLeaks 2007 erstmals für internationale Schlagzeilen, als er ein Handbuch der US-Armee aus dem Jahr 2003 über "Standardbetriebsverfahren" für ein Gefängnis in Guantanamo Bay, Kuba, veröffentlichte. Das Handbuch enthüllte umstrittene Methoden, wie z.B., dass Gefangene zwei Wochen lang in Isolation gehalten wurden, um sie gefügiger gegenüber Verhörbeamt*innen zu machen. WikiLeaks sorgte 2010 erneut für Schlagzeilen, als große Datensätze von geheimen US-Dokumenten zum Afghanistan- und Irak-Krieg auf der Plattform veröffentlicht wurden.

WARUM WOLLEN DIE USA DIE AUSLIEFERUNG VON JULIAN ASSANGE?
Julian Assange wurde in 18 Punkten angeklagt. 17 davon fallen unter ein Gesetz gegen Spionage.

WARUM IST EINE AUSLIEFERUNG VON JULIAN ASSANGE NICHT ZULÄSSIG?
Laut internationaler Menschenrechtsnormen und -standards dürfen Menschen nicht an ein Land ausgeliefert werden, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Sollte Julian Assange von Großbritannien an die USA ausgeliefert oder sonstwie in die USA verbracht werden, so würde Großbritannien damit gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verstoßen.

WARUM WAR JULIAN ASSANGE IN DER BOTSCHAFT ECUADORS?
Im August 2010 reichte die schwedische Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Assange wegen Sexualverbrechen ein, nachdem zwei getrennte Anschuldigungen – Vergewaltigung und sexuelle Belästigung – aufgetaucht waren.
Ein britisches Gericht entschied im Februar 2011, dass Assange zur Befragung an Schweden ausgeliefert werden sollte. Seine Anwälte legten gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung ein, aber die Entscheidung über seine Auslieferung wurde vom Obersten Gerichtshof im November 2011 und vom Obersten Gerichtshof im Mai 2012 bestätigt.
Assange beantragte daraufhin bei der ecuadorianischen Botschaft in London politisches Asyl, weil er befürchtete, dass seine Rechte im Falle einer Auslieferung verletzt werden könnten. Im August 2012 wurde Assange politisches Asyl in Ecuador gewährt.
Botschaftsgebäude sind exterritoriales Gelände und gehören damit nicht zum Hoheitsgebiet des Landes, in dem sie stehen. Damit konnte Julian Assange nicht von der britischen Polizei in der Botschaft verhaftet werden. Er hätte nur verhaftet werden können, wenn er das Gebäude verlassen hätte. Seit 2012 bis zu seiner Verhaftung im April 2019 blieb er deshalb in der ecuadorianischen Botschaft.

WARUM UND WIE WURDE JULIAN ASSANGE 2019 VERHAFTET?
Assanges Lage wurde schwieriger als 2017 ein neuer ecuadorianischer Präsident gewählt wurde. Rafael Correa, der ihm Asyl gewährt und ihm seine bedingungslose Unterstützung gewährt hatte, wurde abgewählt und ins Amt kam Lenin Moreno. Die Beziehungen zwischen Assange und Ecuador wurden seitdem zunehmend angespannter. Ecuador schränkte immer wieder Assanges Internetverbindung ein, um ihn daran zu hindern, sich in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.
Die Situation um Julian Assange gipfelte schließlich in einer Video-Ansprache des ecuadorianischen Präsidenten Moreno, in der er erklärte, das politische Asyl, das Equador Julian Assange gewährte, zu beenden. "Ecuador hat souverän beschlossen, das diplomatische Asyl, das Herrn Assange 2012 gewährt wurde, zu beenden", sagte Moreno. Unmittelbar nach dieser Erklärung betrat die Londoner Polizei die Botschaft, nachdem der Botschafter der Polizei den Zugriff gewährte, und nahm Julian Assange fest. Er wurde festgenommen, weil er 2012 gegen seine Kautionsauflagen verstoßen hatte.

WARUM IST JULIAN ASSANGE NACH DEM URTEIL VON JÄNNER 2021 WEITERHIN IN HAFT?
Ein Londoner Gericht entschied am 4. Jänner 2021, dass eine Auslieferung Julian Assanges an die USA rechtswidrig wäre und anerkannte, dass er aufgrund seines Gesundheitszustands im US-Gefängnissystem Gefahr laufen würde, misshandelt zu werden. Die Richterin verwies auf die schlechte psychische Verfassung von Assange sowie auf die Gefahr für seine Gesundheit durch die in Großbritannien besonders schlimm grassierende COVID-19-Pandemie.
Am 6. Jänner folgte die Entscheidung, Julian Assange nicht gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Anstatt endlich zu seiner Familie zurückkehren und nach zehn Jahren wieder in seinem eigenen Bett schlafen zu können, wurde Julian Assange nun in seine Einzelzelle in einem Hochsicherheitsgefängnis zurückgebracht.
Amnesty International betrachtet Assanges fortgesetzte Inhaftierung als willkürlich."Die heutige Entscheidung, den Kautionsantrag von Julian Assange abzulehnen, bedeutet, dass seine fortgesetzte Inhaftierung willkürlich ist. Hinzu kommt, dass er seit über einem Jahr unter härtesten Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten wird", so Nils Muižnieks, Direktor für Europa bei Amnesty International. "Die US-Regierung tut so, als läge es in ihrer Zuständigkeit, überall auf der Welt Menschen zu verfolgen, die Informationen über das Fehlverhalten der Regierung erhalten oder verbreiten. Die heutige Entscheidung soll offenbar zeigen, dass die britische Justiz dieser Haltung nicht im Wege stehen will", so Nils Muižnieks weiter.

WARUM WERTET AMNESTY INTERNATIONAL DIE VERFOLGUNG ASSANGES ALS ANGRIFF AUF DIE MEINUNGSFREIHEIT?
Julian Assanges Veröffentlichung interner US-Regierungsdokumente auf Wikileaks darf nicht bestraft werden. Das ist investigativer Journalismus. Eine strafrechtliche Verfolgung von Julian Assange könnte andere Journalist*innen abschrecken, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen.
Die US-Regierung verfolgt Julian Assange aufgrund der Veröffentlichung von Dokumenten, in denen mögliche Kriegsverbrechen des US-Militärs dokumentiert sind. Dies ist nichts weniger als ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich

WAS FORDERT AMNESTY INTERNATIONAL IM FALL ASSANGE?
Amnesty International fordert, dass alle Anklagepunkte, die dem Auslieferungsersuchen der USA zugrunde liegen, fallen gelassen werden, um die unverzügliche Freilassung von Julian Assange zu ermöglichen.

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DIE AUSLIEFERUNG VON JULIAN ASSANGE AN DIE USA IST EIN FAUSTSCHLAG FÜR DIE DEMOKRATIE UND EIN ZEUGNIS DER DOPPELBÖDIGKEIT DER EUROPÄISCHEN ELITEN
Von Efgani Dönmez  17.06.2022
Man sollte meinen, dass jene, welche Verbrechen auch wenn diese auf Anordnung von Staaten durchgeführt werden, aufdecken als Helden gefeiert werden.
Julian Assange hat mit seiner Plattform WikiLeaks die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, welche vom US-Militär begangen wurden, aufgedeckt und an die Öffentlichkeit gebracht. Dass die USA nach Rache schreien ist klar. Keiner lässt sich gerne beim Lügen erwischen. Was Julian Assange und seine Kollegin Manning gemacht haben ist (ohne Rücksicht auf Verluste) die Wahrheit aufzudecken, Menschenrechte zu schützen. Julian Assange hat aber eben auch Informanten der US Armee aufgedeckt, und damit den Taliban und Al Quaida ans Messer geliefert. Außerdem hat Julian Assange angeblich in Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst, die US Präsidentschaftswahlen zu Gunsten Trumps manipuliert.
Nichtsdestotrotz ist das Signal, welches hier an die Welt gesendet wird ein erschreckendes und verheerendes: "Wage es ja nicht, (die falschen Kriegsverbrechen aufzudecken) oder du wirst solange verfolgt, gequält, gedemütigt und gejagt, bis du mundtot und/oder zur Strecke gebracht wirst."
Ein jahrelanger Schandfleck auf der "blütenweißen" Weste des Westens. Ein echter Rückschritt der Pressefreiheit. Eine Schande für Europa. Die letzte Hoffnung ist eine Begnadigung Assanges durch den US-Präsidenten Joe Biden gegen Ende seiner Amtszeit (wie Ex-Präsident Obama für Manning, die danach aber von den US-Behörden wieder in Beugehaft genommen wurde).
Der überschnappende US-Patriotismus und der US-Behörden bzgl. Julian Assange ist eine irreale Obsession geworden. Es war aber der einzige Weg die perfide Doppelmoral der USA in all ihren Kriegen zu beweisen. Mit ihren eigenen Dokumenten!
Julian Assange wurde einfach von allen im Stich gelassen, insbesondere von den europäischen Eliten in Brüssel. Eine kleine Empfehlung an alle einmal nachzulesen was Assange und WikiLeaks alles aufgedeckt haben, besonders jetzt, wo es immer heißt, irgendwo würden die "westlichen" Werte verteidigt!
Ein echter Wert wäre es, wenn Julian Assange eine Auszeichnung für die Wahrung der menschlichen Werte verliehen würde. Man sollte sich von der EU für Assange den gleichen Einsatz wie für Nawalny erwarten. Diese westlichen Werte werden angeblich auch gerade in der Ukraine verteidigt.
Wenn es um Kriegsverbrechen geht, dann haben viele Dreck am Stecken. Das würde das Antlitz und Image der USA, aber auch Europa verändern. Daher ist diese Auslieferung ein Armutszeugnis sondergleichen!
Warum Österreich als neutrales Land Julian Assange nicht schon längst Asyl angeboten hat, versteht sowieso niemand. Wir bräuchten doch vor den USA keine Angst haben, oder?