Die deutsche katholische Kirche will mit dem "Synodalen Weg" erste, zaghafte Reformen anstoßen. Vor allem für Frauen und Homosexuelle soll sich etwas ändern. Papst Franziskus kann den Vorschlägen wenig abgewinnen. Die katholische Kirche soll bleiben, was sie ist: eine weltabgewandte, grundrechtverletzende Männer-Domäne: starr, autoritär, machtbewusst. Warum machen die Gläubigen das mit?
Papst Franziskus hat sich vor wenigen Tagen unverhohlen ablehnend zum Reformprozess in der deutschen katholischen Kirche, dem sogenannten "Synodalen Weg", geäußert. Darunter wird verstanden, dass auch Nicht-Kleriker sich über die Zukunft der Kirche Gedanken machen dürfen.
In einem Interview mit der Jesuiten-Postille La Civiltà Cattolica kritisierte
er den Veränderungs-Eifer heftig. Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Georg Bätzing, ließ er mitteilen: "In Deutschland gibt es eine sehr
gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon".
Zuvor hatte es bereits massive Kritik von US-amerikanischen Klerikern gegeben.
Die deutsche Initiative habe schon viel "Verwirrung" unter frommen
Gläubigen gestiftet, monierten die Hardliner. Es fehle hier am "echten
Hören auf den Heiligen Geist". Die Unterzeichner - unter ihnen der
australische Kurienkardinal George Pell, ein Sexualstraftäter, der wegen des
sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben zunächst zu sechs Jahren Haft verurteilt,
dann aber im Berufungsverfahren nach 13 Monaten Haft freigesprochen wurde -
merkten unter anderem an, dass der "Synodale Weg" die kirchliche Autorität
und Sexualmoral untergrabe. Die synodalen Texte seien von "zeitgenössischen
politischen Ideologien, einschließlich der Genderideologie, inspiriert".
Die klerikalen Hardliner sind ganz auf Linie des Vatikans, der die deutschen
Reformbemühungen mit größtem Misstrauen verfolgt. Dabei hatte Papst Franziskus
noch im Vorjahr verlauten lassen, er wolle die Kirche für mehr Mitsprache von
Laien öffnen. Alle Gläubigen seien dazu aufgerufen, an der Weiterentwicklung
der Kirche mitzuarbeiten, hieß es in einem im Vatikan vorgestellten Dokument
in Vorbereitung auf die Weltbischofssynode 2023.
In welche Richtung gedacht
werden darf, bestimmt freilich weiterhin die Zentrale in Rom. Der Pontifex als
irdischer General-Navigator.
Mit lautem Widerspruch ist auch nach dem aktuellen Papst-Fingerzeig nicht zu
rechnen. Seit Jahren üben sich die gläubigen Schäfchen im braven Gehorsam.
Alles bleibt, wie es immer war: ein rein männliches Kleriker-Kartell. Die Macht
ist an Papst, Kardinäle und Bischöfe gebunden. Sie allein deuten und verkünden
die verbindlichen Lehrgrundlagen, setzen sie um in kirchliche Dogmen und Gesetzgebung.
Die Mehrheit der Gläubigen schuldet ihnen Folgsamkeit und Gehorsam - umgekehrt
sind die Kirchenmänner ihren gläubigen Laien in keiner Weise rechenschaftspflichtig.
Ein klares Machtgefüge: Laien dürfen beten und hoffen, Kleriker bestimmen
und entscheiden. Von Demokratie mag man hier nicht unbedingt sprechen. Die katholische
Kirche ist und bleibt eine weltabgewandte, grundrechtverletzende Männer-Domäne:
starr, autoritär, machtbewusst.
Das Vertrauen in das göttliche Bodenpersonal bröckelt rasant
Zwar rumort es in einigen Teilen des katholischen Weltreichs, vor allem in den
europäischen Niederlassungen. Kirchlich gebundene und organisierte Gläubigkeit
schwindet, das belegen jedenfalls rückläufige Mitgliederzahlen. Das hat mit
aktuellen Missbrauchs- und Finanzskandalen zu tun, auch mit einem Gesellschafts-
und Menschenbild, das an Bindekraft verliert. In Deutschland haben allein im
vergangenen Jahr mehr als 640.000 Menschen die beiden großen Kirchen verlassen.
Bei den Katholiken kehrten 360.000 Personen der Kirche den Rücken, bei den
Protestanten waren es rund 280.000. Nun fällt nicht jeder, der das "Haus
Kirche" verlässt, gleich von Gott und Glauben ab. Eines aber wird deutlich:
Das Vertrauen in das göttliche Bodenpersonal bröckelt rasant. Und dennoch:
viele wollen weiterhin glauben und sie tun das gerne gemeinsam - trotz allem.
Das "Haus Kirche" ist vielen Gläubigen in aller Welt weiterhin -
trotz Missbrauchs- und Finanzskandalen - eine sinnstiftende Heimstatt im Hier
und Jetzt mit allen Versprechungen des Jenseits.
Norbert Lüdecke, Professor für Kirchenrecht an der Universität Bonn, hat
im Vorjahr ein erhellendes Buch veröffentlicht, in dem er den "Synodalen
Weg" argumentationsstark seziert. Dieser sei nichts anderes als eine große
Selbsttäuschung der katholische Laien - und ein Täuschungsmanöver der Kirchen-Obristen.
Es gehe schlichtweg darum, den aktuellen Kritik-Hochdruck durch diverse Gesprächs-Inszenierungen
zu kanalisieren, indem sich Laien weiterhin beteiligt fühlen sollen, ohne entscheiden
zu können. Ausrufung von Offenheit und Teilhabe als klerikale Marketing-Strategie.
Dabei bringe es inhaltlich nichts Neues, verfestige sogar das Vorhandene: die
Position der Frau, die kirchliche Sexualmoral, den Umgang mit Macht und die
priesterliche Ehelosigkeit, Missbrauch und Korruption.
Gläubige benötigen ein solides Resilienz-Polster, viel Verdrängungskunst
und große Demütigungsbereitschaft, um sich in dieser machtbewussten klerikalen
Männer-Diktatur heimisch zu fühlen. Lüdecke beschreibt die Struktur und Systematik
der kirchlichen Placebo-Debatte eindrucksvoll. Der sogenannte "Synodale
Weg" sei nichts anderes als eine große (Selbst)-Täuschung der katholische
Laien - und ein Täuschungsmanöver der Kirchen-Männer, kompromisslos inszeniert,
um innerkirchlichen Protest und Reformgedanken zu neutralisieren. Und er fragt:
Warum machen die Gläubigen bei dieser aktuellen Partizipations-Simulation eigentlich
mit? "Gibt es Faktoren, die Katholiken den Blick auf die kirchliche Realität
verstellen, oder vielleicht eine spezifisch katholische Disponierung, diese
Realität gar nicht sehen zu wollen?" "Ist ihre Angst, sich von einer
reformunfähigen Kirche distanzieren zu müssen, größer als ihr Leiden an
der real existierenden Kirche?" Beinahe lakonisch beschreibt der Autor
wie das Kirchenvolk auf diese Weise weiterhin gut betreut durch ein "potemkinsches
Sydonaldorf" schreitet, "in dem vor allem eines praktiziert wird:
die alte katholische Unterwerfungshaltung gegenüber den Kirchenherren."
Kurzum: es wird alles bleiben, wie es ist.
Der Untertitel des Buches lautet: Haben Katholiken die Kirche, die sie verdienen?
Ja!, möchte man antworten. Niemand muss freiwillig an der Kirche leiden. Die
Seelen-Pein kann ein rasches Ende finden - durch Kirchenaustritt. Es wäre die
angemessene Antwort auf das reaktionäre Weltbild des Papstes und auf die anhaltenden
Täuschungs-Inszenierungen seiner machtbesessenen Kleriker. "Sie reden
über die Glückseligkeit im Jenseits, wollen aber die Macht im Diesseits",
sagte Christopher Hitchens. Es könnte als Motto für die "Synodalität"
des Vatikans stehen.
Anzumerken ist dazu, dass ein wesentliches Element der heutigen Welt nicht behandelt wird: In unseren Breiten sinkt das Interesse an Religionen, die Zahl der wirklich Gläubigen und die Religion tatsächlich regelmäßig praktizierenden Menschen sinkt ständig ab! Die aktuellen kirchlich-statistischen Zahlen dazu von Österreich sind von 2020 und schauen so aus: Mitglieder: 4.905.316, kirchlich gezählte Besucher der Sonntagsmesse: 395.530, offenbar halten viele Leute die Mitgliedschaft in der Kirche immer noch für eine übliche Tradition, die man nicht brechen soll, dass nur um die acht Prozent der Kirchenmitglieder den Glauben auch regelmäßig ausüben, wissen sie nicht, darum bleibt trotz der ständigen Mitgliederverluste und des Rückgangs der aktiven Katholiken die katholische Kirche formal eine Massenorganisation!