In der DITIB-Moschee ertönte vergangene Woche erstmals der Muezzin-Ruf zum Freitagsgebet (der hpd berichtete). Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker wollte den Gläubigen ihre Freiheit der Religionsausübung nicht verweigern. Doch ist der Gebetsruf ein Ausdruck von Religionsfreiheit oder ein Sieg für islamische Hardliner? Gegenüber der Moschee demonstrierten Menschen gegen den islamischen Ruf zum Gebet und gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran – mit prominenter Unterstützung aus dem Ausland: Maryam Namazie, die Sprecherin des Council of Ex-Muslims of Britain war eine der Protestierenden.
In der Kölner DITIB-Moschee wurde am Freitag erstmals der muslimische Gebetsruf zelebriert, während gegenüber Menschen mit Sprechchören demonstrierten und teilweise den Muezzin-Singsang übertönten. Auf Transparenten verkündeten die Demonstrant*innen: "Kein Muezzin-Ruf in Köln! Der öffentliche Raum sollte weltanschaulich neutral sein" oder "Nein zum Hijab! Das Kopftuch ist Symbol der Geschlechter-Apartheid". Unter dem Motto "Solidarität mit den Frauen im Iran" waren etwa 50 Demonstrierende zusammengekommen. Unter ihnen die Sprecherin des Council of Ex-Muslims of Britain, Maryam Namazie, die nach Köln gekommen war, um mit anderen Frauen oben ohne zu protestieren. Auf ihrem Telegram-Kanal postete Namazie Bilder und ein Video des Protests.
Protest vor der Moschee, Foto: © Hesam Yousefi Protest vor der Moschee,
vor dem Transparent: Mina Ahadi, Sprecherin des Zentralrats der Ex-Muslime in
Deutschland, die ebenfalls vor Ort war. (Foto: © Hesam Yousefi)
Mit der Premiere des muslimischen Gebetsrufs in Köln hat am Freitag ein auf
zwei Jahre angelegtes und umstrittenes Modellprojekt begonnen. In der Ehrenfelder
Zentralmoschee darf der Muezzin künftig wöchentlich zum Freitagsgebet rufen.
Per Lautsprecher wurde der religiöse Sprechgesang in den Innenhof der Moschee
übertragen. Vor etwa einem Jahr hatte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette
Reker das
Projekt angekündigt. Der Gebetsruf sei durch die Religionsfreiheit gedeckt.
Schon im Vorfeld sorgte Rekers Entscheidung für Kritik.
Muslime im "Schoss der Gesellschaft" angekommen
Erfreut über die Entscheidung Rekers zeigte sich Abdurrahman Atasoy, der Vize-Vorsitzende
im DITIB-Bundesverband: "Wir sind sehr glücklich über diesen Vertrag
mit der Stadt Köln." Der öffentliche Gebetsruf sei ein Zeichen für Beheimatung
der Muslime, lässt Atasoy auf der DITIB-Website wissen. Muslime seien als hörbarer
Teil endlich gesellschaftlich angekommen und angenommen worden und aus den "unsichtbaren
Hinterhofmoscheen" in den "Schoss der Gesellschaft" geholt worden.
Ähnlich erfreut zeigten sich auch christliche Glaubensgemeinschaften: Das katholische
Hilfswerk Missio teilte mit, man sehe den Muezzinruf als "Zeichen von Normalität
in einer offenen Gesellschaft". Und Nikolaus Schneider, der frühere Ratsvorsitzende
der Evangelischen Kirche in Deutschland, betonte: "Zur Religionsfreiheit
gehört nach meinem Verständnis, dass man seinen Glauben nicht nur im privaten
Kämmerlein ausüben kann, sondern dass dies auch öffentlich geschehen kann."
Glockengeläut hat keine inhaltliche Aussage
Die Nähe der DITIB-Gemeinde zum türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip
Erdoğan, der 2018 die DITIB-Moschee eröffnet hatte, scheint die Glaubensgeschwister
nicht zu interessieren. Auch nicht, dass die DITIB-Gemeinde als verlängerter
Arm der türkischen staatlichen Religionsbehörde gilt. Der Muezzinruf sei ein
"Machtinstrument des politischen Islams", kritisierte etwa der Berliner
Islamismus-Experte Ahmad Mansour. Der Vergleich mit dem Glockenläuten von Kirchen
überzeuge ihn nicht. "Beim Muezzinruf geht es um konkrete religiöse Botschaften",
sagte er gegenüber dem WDR. Denn der Muezzin rufe, dass es keinen anderen Gott
als Allah gebe und dass Mohammed sein Gesandter sei.
Oberbürgermeisterin unterstützt "rückständige Männervereine"
Susanne Schröter, die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler
Islam, glaubt, dass der Muezzin-Ruf in Köln von "islamistischen Hardlinern"
als "Punktsieg" verstanden werden könnte. Schröter wies im WDR darauf
hin, dass AKP-Politiker, also der Partei Erdoğans, die DITIB-Moscheen dazu
nutzten, um Wahlkampf zu betreiben. Mit Integration und Multi-Kulti habe der
Muezzinruf wenig gemein, kritisierte auch die Soziologin Necla Kelek. Laut ihr
habe die Kölner Oberbürgermeisterin jahrelang zu wenig für die Integration
getan. Nun unterstütze Reker Moschee-Gemeinden, die meist "rückständige
Männervereine" mit einem veralteten Frauenbild seien.