Meldung auf katholische.de von Tobias Glenz am 10.12.2022, entdeckt am
13.11.:
So manches deutsche Bistum dürfte ins Schwitzen geraten: Derzeit wird die Schmerzensgeld-Klage
eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln verhandelt. Für andere
Diözesen könnte das Ergebnis verheerend sein, kommentiert Tobias Glenz.
Es ist eine Zwickmühle, in der sich die katholische Kirche befindet: Die Schmerzensgeld-Klage
eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln könnte Vorbildcharakter
bekommen und somit viele weitere Klagen gegen Bistümer oder auch Bischöfe
nach sich ziehen. Wie also mit solchen Fällen umgehen? Kardinal Rainer Maria
Woelki hatte sich am Montag entschieden, auf die sogenannte Einrede der Verjährung
zu verzichten. Es ist insofern eine verständliche Entscheidung, als dass hier
ausschließlich die Betroffenenperspektive eingenommen wird und zugleich die
ohnehin krisengeschüttelte Erzdiözese keine weitere schlechte Presse riskiert.
Allerdings gilt es zu bedenken: In dem konkreten Fall geht es um insgesamt 805.000
Euro, die der Kläger verlangt. Selbst für das wohlhabende Erzbistum Köln
eine stattliche Summe, wenngleich zu stemmen. Was passiert nun aber, wenn sich
eine deutlich ärmere Diözese – etwa ein Diasporabistum in Ostdeutschland
– einer ähnlich hohen Schmerzensgeld-Forderung gegenübersieht? Die Antwort
ist klar: Das könnte den Bankrott bedeuten.
Beim ersten Verhandlungstag am Dienstag wurde nun ein Vergleich im Kölner Fall
vorgeschlagen – mit einem unteren sechsstelligen Betrag, wobei der Vorsitzende
Richter jedoch höhere Zahlungen nicht ausschloss. Für arme Bistümer wäre
das noch immer sehr viel Geld. Stimmt die Erzdiözese nun einem Vergleich zu,
so ließe sich zumindest ein Urteil – und damit ein Präzedenzfall – umgehen.
Andererseits schließt auch dies ein ähnliches Vorgehen weiterer Missbrauchsbetroffener
nicht aus.
Das Erzbistum Köln hatte bei seinem Verjährungsverzicht zugleich betont, dass
es nur für den aktuellen Fall gelte, man sich künftig also durchaus auf eine
Verjährung berufen könnte. Eine solche Einzelfallentscheidung liegt auch auf
der Linie der Deutschen Bischofskonferenz. Das Dilemma besteht weiter: Will
die Kirche glaubhaft Missbrauchsbetroffene entschädigen, so kommt das Pochen
auf Verjährung immer einer moralischen Bankrotterklärung gleich – selbst
wenn die Existenz einer Diözese auf dem Spiel steht. Und noch eins ist klar:
Sollte in mehr als einem Fall Missbrauchsbetroffenen deutlich höhere Summen
zugesprochen werden, als es aktuell durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen
geschieht, gehört das System noch einmal auf den Prüfstand.