Viel vages Geraune und ein bisschen Glück, das sind die Zutaten zu scheinbar
gelungenen Zukunftsprognosen aus der Esoterik-Ecke. Dagegen sind überzeugende
Vollteffer Mangelware, auch im zu Ende gehenden Jahr.
Zu diesem Schluss kommt der Mathematiker Michael Kunkel, der für die Gesellschaft
zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) über 200
esoterische Prognosen für 2022 ausgewertet hat, aus Büchern, Blogs, Videos
und anderen Quellen. Sein jetzt veröffentlichter Prognosencheck versammelt
einige geradezu absurde Fehlprognosen. Oder hat etwa jemand den Angriff von
Riesenkaninchen auf eine Stadt bemerkt, den das kanadische Medium Nikki Pezaro
vorhersagte?
Ein Treffer gelang Pezaro dagegen mit ihrer Prognose eines russischen Überfalls
auf die Ukraine. Nur bedurfte es dazu gewiss keiner paranormalen Informationsquelle
- politische Beobachter diskutierten dieses Szenario angesichts des massiven
Truppenaufmarsches nahe der ukrainischen Grenze schon 2021. Zudem hatte Pezaro
fälschlich einen Krieg zwischen Taiwan und China, Putins Rückzug aus der Politik
und den Tod des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-Un vorausgesagt. Der Vollständigkeit
halber sei auch erwähnt, dass ein deutscher Kollege, der Astrologe Wulfing
von Rohr, in seiner Jahresvorschau einen Krieg "mit beziehungsweise gegen
Russland" ausgeschlossen hatte ...
Ein zweiter, scheinbar verblüffender Treffer ist die Prognose vom Tod Queen
Elizabeths im September. Kunkel, der seit über 20 Jahren esoterische Prognosen
auswertet, ist auch davon wenig überrascht, denn diese Vorhersage gehört,
wie andere Todesfälle von Prominenten, seit Jahren zum Standardrepertoire der
Wahrsager. "Irgendwann muss sich eine solche Prognose ja leider erfüllen",
resümiert Kunkel. Aber: "Wer in den letzten Jahren mit dieser Prognose
daneben lag, sollte sich jetzt nicht mit einem Treffer schmücken."
Die Klassiker wie Nostradamus mussten ebenfalls wieder für abgedrehte Zukunftsdeutungen
herhalten. In den kryptischen Versen des Renaissance-Dichters wollten einige
Interpreten Hinweise auf eine drohende Belagerung von Paris, das Ende der EU
und den Tod eines bedeutenden Politikers entdeckt haben.
Daneben beobachtet Michael Kunkel einen anhaltenden Trend zur quatschigen, alten
Astrologie. Wie Omas Zeitungshoroskope verzettelt sich auch die moderne Variante
gern in Widersprüchen und gibt bestenfalls Stoff für Smalltalk her.