Michael Schmidt-Salomon (Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung) kündigt Kampagne zur Abschaffung des sogenannten »Gotteslästerungsparagrafen« an
Site vom 6.1.2024 auf https://www.giordano-bruno-stiftung.de
- aufgefunden am 8.2.:
Karikatur von Oliver Ottitsch:
»Die deutsche Politik zeigt sich immer betroffen, wenn im Iran oder in Saudi-Arabien
vermeintliche ›Gotteslästerer‹ hingerichtet werden. Diese Reaktion wäre
deutlich glaubwürdiger, wenn § 166 StGB aus unserer Rechtsordnung verschwunden
wäre.« - Zum morgigen 9. Jahrestag des Anschlags auf »Charlie Hebdo« hat
die Westdeutsche Zeitung (WZ) ein lesenswertes Interview mit Michael Schmidt-Salomon
veröffentlicht, in dem der gbs-Vorsitzende eine Kampagne zur Abschaffung des
sogenannten »Gotteslästerungsparagrafen« ankündigt.
Am kommenden Donnerstag, dem 11.1.2024, wird zu diesem Thema eine erste Veranstaltung
in Düssel-dorfstattfinden, bei der Schmidt-Salomon u.a. Auszüge aus dem Plädoyer
vortragen wird, das der Anwalt von »Charlie Hebdo«, Richard Malka, bei dem
Prozess gegen die Komplizen der Attentäter vom 7. Januar 2015 gehalten hat.
Malkas Text ist unlängst unter dem Titel »Das Recht, Gott lächerlich zu machen«
im Alibri Verlag erschienen. Es handelt sich dabei, so Schmidt-Salomon, »um
ein flammendes Plädoyer für die Meinungsfreiheit sowie für den aufrechten
Gang, den es braucht, um die Werte der Freiheit gegen die militanten Feinde
der Freiheit zu verteidigen.«
Im Interview mit der WZ erklärte Schmidt-Salomon, dass sich das, was vor neun
Jahren in Frankreich geschehen ist, im Sinne des § 166 folgendermaßen interpretieren
lässt: »Die Zeichnungen, die im Satiremagazin ‚Charlie Hebdo‘ veröffentlicht
wurden, animierten Islamisten dazu, Terrorakte zu begehen, die den öffentlichen
Frieden massiv störten. Nach deutschem Recht hätten die überlebenden Mitglieder
der Redaktion daher mit Geldstrafen oder gar mit Freiheitsstrafen bis zu
drei Jahren rechnen müssen.« Dabei handele es sich allerdings um eine »katastrophale
Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips«: »Denn selbstverständlich wird der öffentliche
Friede nicht durch Künstlerinnen und Künstler gestört, die auf dem Boden
des Grundgesetzes Religionen satirisch aufs Korn nehmen, sondern durch religiöse
Fanatiker, die es nicht gelernt haben, auf Kritik in angemessener Weise zu reagieren.«
Mit Blick auf die schrecklichen politischen Verwerfungen, die etwa durch Koran-Verbrennungen
in Schweden entstanden sind, sagt Schmidt-Salomon im Gespräch mit der WZ: »Als
deutscher Schriftsteller habe ich natürlich große Probleme mit Bücherverbrennungen.
Allerdings habe ich auch Verständnis dafür, dass Ex-Muslime die Empörung
über das Leid, das ihnen unter dem Diktat des islamischen Faschismus widerfahren
ist, auf diese Weise zum Ausdruck bringen. Und was ist schon die Verbrennung
eines Buches in Relation zur öffentlichen Hinrichtung von Zehntausenden von
Menschen, die rein gar nichts verbrochen haben?! Wir müssen uns in diesem Zusammenhang
doch fragen: Wie groß sollen unsere Zugeständnisse an Regime sein, die in
erschreckender Permanenz gegen Menschenrechte verstoßen? War Appeasement-Politik
gegenüber Extremisten jemals erfolgreich? Ich meine, wir sollten an dieser
Stelle nicht vor den militanten Feinden der Freiheit einknicken, sondern vielmehr
das Profil der offenen Gesellschaft stärken.
Die Abschaffung des alten Gotteslästerungsparagrafen wäre dazu ein erster
Schritt.«
Ergänzung atheisten-info: Wie lautet der "Gotteslästerungsparagraph"?
Hier ist er: "§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften
und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den
Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer
Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts
(§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft
oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer
Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“
Original steht dieses Gesetz so in der Bibel:
Lev 24,10–23 heißt es demgemäß: "Wer den Namen des Herrn schmäht,
wird mit dem Tod bestraft; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Der Fremde
muss ebenso wie der Einheimische getötet werden, wenn er den Gottesnamen schmäht.“
Und wie schaut das in Österreich aus? Der §188 des Strafgesetzbuches
lautet: "Herabwürdigung religiöser Lehren - Wer öffentlich eine Person
oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden
Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich
zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen
Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet,
unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360
Tagessätzen zu bestrafen."
Eine Kampagne zur Abschaffung des »Gotteslästerungsparagrafen« wäre somit auch hierzulande höchst angebracht!