Am 27. 7. 2012 forderten in Wien auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Vertreter der Muslime, der Israeliten, der Katholiken und der Protestanten ein Ende der Debatte über die Beschneidung. Denn die Religionsfreiheit gewährleiste das Recht, männlichen Säuglingen die Vorhaut wegschneiden lassen zu dürfen und wer das kritisiert ist islamophob, antisemitisch, antireligiös, also so eine Art Feind von allem göttlich Wahren, Schönen und Guten. Justizministerin Beatrix Karl von der ÖVP verstieg sich in der Folge sogar zur Aussage, in Österreich sei rechtlich alles klar, die verfassungsmäßige Religionsfreiheit gewährleiste ein Recht auf Beschneidung.
Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist jedermann gewährleistet.
Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse
unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis
kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder
zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, in sofern
er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht.
Der
schöne Satzteil "doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis
kein Abbruch geschehen" belegt eindeutig: die Religionsfreiheit erlaubt
keineswegs, beliebige Kulte auszuüben, Islamisten dürfen keine Ehebrecherinnen
steinigen, die israelische Glaubensgemeinschaft kann niemanden, der am Sabbat
arbeitet, den früher üblichen Strafen zuführen, Hindus dürfen keine Witwen verbrennen
und die katholische Kirche darf Helmut Schüller und seine Pfarrerinitiative
nicht wegen Ketzerei auf den Scheiterhaufen stellen. Denn es gelten in Österreich
für alle Anhänger aller Religionen die staatsbürgerlichen Pflichten.
Zum Beispiel der § 83 des Strafgesetzbuches: Körperverletzung
(1)
Wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper misshandelt
und dadurch fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit schädigt.
In der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union heißt es im Artikel 3 zudem:
"Jede Person hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit."
Alles
klar? § 83 und Grundrechtsartikel 3 werden ganz bestimmt nicht von der Religionsfreiheit außer
Kraft gesetzt! Soviel Hirn, um das zu erkennen, müsste eigentlich sogar
einer ÖVP-Ministerin zuzumuten sein. Die Frage liegt nicht dort, ob die Religionsfreiheit
das Strafgesetzbuch und EU-Grundrechte außer Kraft setzt, das ist völlig klar, die Religionsfreiheit
setzt das Strafgesetzbuch und EU-Grundrechte nicht außer Kraft.
Die richtige Frage lautet, ob
die Beschneidung eine Körperverletzung ist, da die Beschneidung heutzutage
medizinisch meist nicht einmal bei Vorhautverengung notwendig wäre, weil man
solche Engstellen jetzt häufig schon ohne Vorhautentfernung behandeln kann.
Somit
gilt: ist es eine Körperverletzung, wenn aus religiösen Gründen Eltern ihren
männlichen Kindern sofort nach der Geburt oder im Kindesalter ohne deren Einsichtsfähigkeit
und Einwilligung ein wichtiges Körperorgan verstümmeln lassen?
Um das geht
es und um sonst gar nichts. Und das ist wissenschaftlich und rechtlich zu klären.
Weil Kleinkinder haben ein Recht auf die Unversehrtheit ihres Körpers, ein Recht,
das vernünftigerweise höher bewertet werden muss, als die religiösen Anschauungen
der Eltern. In den letzten Wochen waren Massen von Argumenten gegen
eine solche Penisverstümmelung in allen möglichen Medien zu finden, die Argumente
für die Vorhautamputation beschränkten sich darauf: das wurde immer so gemacht,
das steht in der Thora, das steht in Texten der islamischen Tradition. Und
diese Umstände sollen das Strafgesetzbuch und Menschenrechte
von Kleinkindern aushebeln können? Wo leben wir? Im Altertum? Im Mittelalter?
Oder im 21. Jahrhundert?
Der Vergleich macht sicher:
Für die Beschneidung:
Mose 1, 17
Die Beschneidung im Islam
Gegen
die Beschneidung:
Presseaussendung
zur rituellen Beschneidung
Kinderhilfe: Petition zur Beschneidung
Terre des Femmes gegen Beschneidungen
Medizinisches zur Beschneidung
Stellungnahme
der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin
FAZ: Offener
Brief zur Beschneidung
FAZ: Jüdischer
Arzt äußert seine Bedenken
Jews Against Circumcision
(Juden gegen Beschneidung)