In den OÖNachrichten vom 1.2.2013 ließ Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion OÖ, wieder einmal einen Gastkommentar los, der ihm unter den strenggläubigen Amtswaltern und ihrem Klüngel keine gute Nachrede einbringen wird. Er beruft sich dabei auf deutsche Untersuchungen, deren zusammengefasste Ergebnisse auch auf der Atheisten-Info-Homepage downgeloaden werden können.
Was immer man mehr oder weniger gehorsamen Christen von hierarchischer
Seite an schlimmen Dingen nachsagen mag: Sie bekommen bei ihren Rufen nach Reformen
jetzt indirekte Unterstützung von einer sehr viel größeren Gruppe. Es ist
das gesamte Volk der Katholiken, zumindest in Deutschland. Das renommierte Institut
"Sinus" hat zum zweiten Mal seit 2005 die religiösen und kirchlichen
Orientierungen der Katholiken in Deutschland untersucht. Die Befragten sehen
ihre Kirche mittlerweile deutlich kritischer als vor wenigen Jahren. Im Gegensatz
zu 2005 gibt es kein soziologisches Milieu mehr, das nicht kritische Ansätze
gegenüber der Kirchenführung äußert.
Konkret distanzieren sich viele von
der katholischen Sexuallehre, vom Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen
sowie von der Haltung gegenüber Geschiedenen und Christen anderer Konfessionen.
Nun wurde die (von kirchlichen Organisationen beauftragte) SINUS-Studie
ausschließlich in Deutschland durchgeführt. Dies vielleicht als Trost gelten
zu lassen, dass in Österreich die Uhren anders ticken, halte ich für falsch.
Österreich mag in manchen Dingen etwas hinterher gehen, der Trend ist aber nicht
wegzuleugnen. Wer gemeint hätte, über die Missbrauchsfälle würde allmählich
Gras wachsen, vielleicht, weil sich die Austrittszahlen im letzten Jahr etwas
abgeflacht haben, dürfte sich getäuscht haben. Die Glaubwürdigkeit der Institution
ist durch die Missbrauchsskandale tief erschüttert. Quer durch alle Milieus
ist ein Vertrauensbruch entstanden, der schwer zu reparieren zu sein scheint.
Auch der Priestermangel beschäftigt die Befragten, und gerade treue Gläubige
beklagen, dass sie ihre Pfarrer immer seltener zu Gesicht bekommen. Dabei sind
sie es, mit denen sie eine Grundsympathie verbindet, ganz im Gegensatz zu Bischöfen
und dem Papst, die für die meisten rückwärtsgewandt und wenig attraktiv erscheinen.
Was
ist die Folge? Jeder Fünfte überlegt manchmal, aus der katholischen Kirche auszutreten.
Dass es dann doch nicht dazu kommt, mag nach den Worten eines SINUS-Forschers
ernüchternd klingen, ist aber offensichtlich so: es ist die Sorge, nach dem
Tod einfach "verscharrt" zu werden. Sehr viel von dem, was die aufwändige
SINUS-Studie empirisch nachgewiesen hat, findet sich in Forderungspapieren vieler
österreichischer Reformgruppen, auch jener der Pfarrer-Initiative. Aber anstatt
sich den Inhalten dieser Themen zu widmen, verwenden kirchliche Obrigkeiten
ihre Energie damit, die ungehorsamen Rädelsführer zu maßregeln. Die deutsche
Studie könnte helfen, die Kirche in Österreich vor (noch) größerem Schaden zu
retten. Aber nur, wenn der Mut aufgebracht wird, Dinge beim Namen zu nennen
und im Vatikan griffige Reformen einzufordern.
Soweit Brandstetter. Er ist immer noch ein bisschen optimistisch. Und er befasst sich nicht damit, dass es letztlich egal ist, ob es eine katholische Reform gibt oder nicht. Den reformierten Protestanten laufen die Mitglieder noch mehr weg und sie haben ein Gemeindeleben auf einem noch niedrigeren Level, als es inzwischen auch in den katholischen Pfarren Standard geworden ist. Der Artikel "christliche Religion" erfreut sich ständig steigend einer sinkenden Nachfrage. Brandstetter glaubt ja selber große Teile der christlichen Lehre nicht mehr (siehe dazu Info Nr. 878, Info Nr. 1104 und Info Nr. 1211), er könnte seinen Ruhestand auch ohne katholische Religion verbringen, ohne dass ihm viel fehlen täte. Dafür könnte er sich jedoch reichlich Ärger einsparen.